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Kruse macht sein Ding

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Von: Thomas Kilchenstein

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Zeigt die Richtung an: Max Kruse.
Zeigt die Richtung an: Max Kruse. © dpa

Wer den Profi Max Kruse holt, kriegt einen authentischen Freigeist, einen brillanten Fußballer, der weiß, wie das Spiel funktioniert.

Im Grunde muss die Bundesliga gottfroh sein, dass es noch solche seltenen Exemplare wie Max Kruse gibt: echte Typen. Er ist einer, dem völlig egal ist, was über ihn gesagt und geschrieben wird, er zieht sein Ding durch, wie es ihm gefällt. Dass ihm, als er gefragt wird, weder Gerd Müller, noch Oliver Bierhoff oder Maradona einfallen, juckt ihn nicht, solang er die 100 000 Euro Gewinnprämie einstreicht. Er beleidigt eine halbe Region („Ruhrpott-Assis“), demoliert das Handy einer Bild-Reporterin, vergisst 75 000 Euro im Taxi, spielt Poker, sogar ziemlich gut, raucht Shisha, kommt mal mit einem Maserati zum Training („Maserati-Max“) oder, später in Gladbach, mit einem Gefährt in Tarnfarben, das der Boulevard als „hässlichstes Auto der Liga“ taxiert. Er soll während einer Länderspielreise mit Jogis Buben Damen aufs Hotelzimmer bestellt haben. Er besitzt ein Motorsportteam, sein zehnjähriger Sohn lebt in den USA, und den Heiratsantrag an die Gattin sendete er via TV-Interview von den Olympischen Spielen. Das alles ist Max Kruse, wahlweise als Filou, Hallodri oder Charakterkopf umschrieben, und noch ein bisschen mehr. Was er in seiner freien Zeit tue, gehe niemanden was an, obwohl es jeder mitkriegt, solange er Leistung bringe, sagt er. Und singt bei „The Voice“ in der Türkei mit.

Dieser Max Kruse ist schon eine Nummer, eine Persönlichkeit: ungeschönt, ehrlich, geradeheraus. Er lässt sich nichts vorschreiben und ist damit das, was allenthalben in der stromlinienförmigen Ligawelt angeblich so schmerzlich vermisst wird: eine Marke, ein Unikum, ein Star, einer mit Ecken und Kanten, der sich den Spielregeln nicht unterwirft. Er bleibt unangepasst.

Dass er jetzt von dem sportlich ungleich ambitionierteren FC Union Berlin zum VW-Klub Wolfsburg in den Abstiegskampf wechselt, passt. Dort gibt es mehr zu verdienen. Was zählen sportliche Meriten, wenn sich das Bankkonto anderswo schneller füllt? Und auch das ist Max Kruse: Er redet nicht um den heißen Brei, sagt frank und frei, der Kontrakt in Wolfsburg sei „hoch dotiert“. Schon sein Wechsel von Bremen zu Fenerbahce hatte ausschließlich pekuniäre Gründe, die Türken überwiesen ihm ein Jahresgehalt von sechs Millionen Euro. Kruse spielt da, wo er das meiste Geld verdient.

Diese Söldnerattitüde mögen Puristen verurteilen. Zur Wahrheit gehört auch: Max Kruse macht eine Mannschaft besser, er ist der Unterschiedsspieler, wegen dem ein Team gewinnt. Ohne Kruse hätte Union niemals den Sprung auf die europäische Bühne geschafft. Kruse kann Fußball spielen, besser, schlauer, intelligenter, gerissener als die allermeisten, trotz Nutellabrötchen und Bäuchlein unterm Trikot. Wer Kruse holt, kriegt Kruse - einen authentischen Freigeist, einen brillanten Fußballer, der weiß, wie das Spiel funktioniert. Und den man nicht mehr zähmen kann - zum Glück.

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