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Kompliziertes Biest

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Von: Hendrik Buchheister

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Ohne Arbeitserlaubnis keine Arbeit bei ManUnited: Ralf Rangnick.
Ohne Arbeitserlaubnis keine Arbeit bei ManUnited: Ralf Rangnick. © afp / Patrik Stollarz

Bei Manchester United sieht sich Ralf Rangnick mit vielfältigen Problemen konfrontiert. Ahnt der Fußballprofessor, auf was er sich da einlässt?

Ralf Rangnick saß noch nicht auf der Bank von Manchester United im Spiel beim FC Chelsea (1:1) am Sonntag, doch seinen Einfluss glaubten viele Beobachter schon zu erkennen. Anstatt im üblichen 4-2-3-1 spielte Englands abgestürzter Rekordmeister in einer Formation mit zwei Stürmern. Der fünfmalige Weltfußballer und zu dieser Saison ins Old Trafford zurück gekehrte Volksheld Cristiano Ronaldo saß nur auf der Bank. Die Fachwelt diskutierte, ob Rangnick die Aufstellung schon vor seiner Ankunft angeordnet hätte. Nein, nein, versicherte Michael Carrick, der Manchester United nach dem Aus von Trainer Ole Gunnar Solskjaer zuletzt betreute, die Umstellung und Ronaldos Verbannung aus der Startelf seien seine – Carricks – Entscheidungen gewesen.

Ob das stimmt oder nicht – fest steht, dass die Formation gegen Chelsea ein Hinweis darauf war, was kommen dürfte unter Rangnick, dem neuen Interimstrainer von Manchester United für den Rest der Saison mit anschließender Berater-Funktion. Der Ex-Bundesliga-Coach und Taktik-Guru bevorzugt ein 4-2-2-2 und setzt auf intensives Pressing. Für dieses ist Ronaldo nur bedingt geeinigt, trotz seiner individuellen Klasse und seiner formidablen Torbilanz von zehn Treffern in 15 Spielen seit seiner Rückkehr zu Manchester United. Ob es Rangnick gelingt, die Saison des Premier-League-Achten zu retten, wird maßgeblich von seinem Umgang mit Ronaldo abhängen. Schafft er es, den Portugiesen in sein System einzubauen? Und, falls Ronaldo wie gegen Chelsea auf der Bank landet: Wie moderiert Rangnick die atmosphärischen Störungen, die sich daraus ergeben dürften?

Rangnick hatte bei seinen Stationen in Deutschland oft beinahe schrankenlose Befugnisse, doch Manchester United ist ein „different beast“, wie man in England sagt, ein Monstrum aus einer anderen Gewichtsklasse. Der Trainer muss sich mit den in Florida ansässigen und beim Publikum verhassten Besitzern arrangieren, der Glazer-Familie. Die operative Führung des Klubs befindet sich im Umbruch. Geschäftsführer Ed Woodward wird seinen Posten in Kürze räumen. Die Direktoren Darren Fletcher und John Murtough sind erst seit März im Amt. Trainer-Ikone Sir Alex Ferguson ist im Verein immer noch eine wichtige Stimme. Der Lärm, der um den englischen Rekordmeister herrscht, ist mit kaum einem Klub im Weltfußball vergleichbar. Ex-Spieler wie Gary Neville, Rio Ferdinand, Roy Keane oder Paul Scholes sind prominente TV-Fachleute. Ganz nebenbei trauern sie ihrem Ex-Mitspieler Solskjaer hinterher. Rangnick muss sich durch ein Geflecht aus Zuständigkeiten und Einflüssen manövrieren, wie er es bisher noch nicht erlebt haben dürfte.

Viele Beobachter trauen ihm zu, Manchester United ähnlich schnell auf Kurs zu bringen, wie es Thomas Tuchel beim FC Chelsea gelungen ist. Der Kader des Rekordmeisters verfügt über genug Qualität, um die Champions-League-Qualifikation zu schaffen und in der aktuellen Ausgabe der Königsklasse ein passable Rolle zu spielen. Wichtig ist dafür, dass Rangnick der Mannschaft eine spielerische Identität verpasst. Unter Solskjaer operierte Manchester United oft chaotisch und planlos. Am besten brachte das Torwart David de Gea mit seiner verheerenden Analyse nach der 1:4-Niederlage beim FC Watford vor anderthalb Wochen auf den Punkt, die Solskjaer den Job kostete: „Wir wissen nicht, was wir mit dem Ball machen sollen“, sagte der Spanier, auch „ordentliches Verteidigen“ sei der Mannschaft fremd. Rangnick muss dem Ensemble die Grundlagen vermitteln.

Ein Profi, der für den Stil des Interimstrainers gut geeignet sein dürfte, ist Jadon Sancho. Der Ex-Dortmunder spielte unter Solskjaer zur allgemeinen Verwunderung keine Rolle, schoss zuletzt unter Carrick allerdings in zwei Spielen (in der Champions League gegen Villarreal und gegen Chelsea) seine ersten beiden Tore für den neuen Klub. Rangnick könnte Sancho zu einer zentralen Figur bei seiner Hilfsmission im Old Trafford machen.

Allerdings muss sich der 63-Jährige gedulden: Weil er noch auf die seit dem Brexit notwendige Arbeitserlaubnis wartet, wird Rangnick beim Heimspiel am Donnerstag gegen den FC Arsenal nicht an der Seitenlinie stehen können.

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