Kommentar: Florian Kohfeldts Chance in Wolfsburg

Florian Kohfeldt folgt beim VfL Wolfsburg auf Mark van Bommel. Funktioniert der Fußballlehrer auch außerhalb Bremens, stehen ihm viele Türen offen. Ein Kommentar.
Es ist dann doch überraschend schnell gegangen. Kaum hatte der VfL Wolfsburg das Kapitel Mark van Bommel beendet, ist noch am Dienstag die Verpflichtung von Florian Kohfeldt als neuer Trainer verkündet worden, der am Donnerstag offiziell als Nachfolger vorgestellt wird. Die Wahl fiel angeblich recht rasch nach vielen Gesprächen mit einer Auswahl möglicher Kandidaten.
Dass der 39-Jährige hier gegenüber Sportdirektor Marcel Schäfer und Geschäftsführer Jörg Schmadtke punkten konnte, verwundert kaum: Rhetorisch ist der in Siegen geborene, in Delmenhorst vor den Toren Bremens sozialisierte Fußballlehrer erstklassig. Für beide Seiten ist die bis 2023 beschlossene Zusammenarbeit Chance und Risiko. Mit seiner zupackenden Art wird Kohfeldt bei den Profis am Mittellandkanal schnell Gehör finden; mehr vermutlich als van Bommel.
Das war schon seine große Stärke beim SV Werder, Kohfeldts Heimatverein, dessen Fan er wohl immer bleiben wird. Sein unerschütterliche Überzeugung, dass alles bei den Grün-Weißen noch gut werde, verlor er nie. Bis zu seiner Freistellung vor dem letzten Spieltag der Vorsaison galt er im Bremer Mikrokosmos als Sympathieträger, wurde aber außerhalb der Hansestadt wegen seines ständigen Reklamierens oder einer bisweilen besserwisserischen Attitüde kritischer gesehen.
Bessere Spieler in Wolfsburg
Ihn als Verursacher des Werder-Abstiegs anzusehen, wäre allerdings ungerecht, denn der wegen der Finanznot ausgeblutete Kader war vor allem deshalb am Ende kaum noch bundesligatauglich, weil der auch jetzt wieder unter Beschuss stehende Geschäftsführer Frank Baumann bei zu vielen Personalentscheidungen falsch gelegen hatte. Kohfeldt schaffte nach seiner Beförderung zum Cheftrainer im November 2017 nicht nur locker den Klassenerhalt, sondern spielte – dank Individualisten wie Max Kruse – mit Werder 2018/2019 gleich um die Europapokalplätze.
Ihn zum DFB-Trainer des Jahres 2018 und damit als Prototypen einer neuen Trainergeneration zu verklären, ging – wie vieles in der Branche – vielleicht ein bisschen schnell. Deshalb ist die Station Wolfsburg für ihn jetzt so wichtig. Die Vereinsfarben muss er übrigens beim VW-Klub nicht mal wechseln. Dort kann er mit qualitativ deutlich besseren Spielern als in Bremen seine eigentlich offensiv geprägte Philosophie ausleben. Die zweite Station wird daher sein ganz persönlicher Lackmustest.
Funktioniert der Fußballlehrer außerhalb Bremens, stehen ihm viele Türen offen. Der bis heute dort verwurzelte Thomas Schaaf, nur zur Erinnerung, hat weder bei Eintracht Frankfurt noch Hannover 96 auch nur ansatzweise an seine Bremer Erfolge anknüpfen können. Aber er war auch ein ganz anderer Typ. Kohfeldt ist dank seiner offenen Art mehr zuzutrauen.