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Kommentar: Der neue Reiz des Pokals

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Von: Thomas Kilchenstein

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Der DFB-Pokal im Frankfurter Stadion.
Der DFB-Pokal im Frankfurter Stadion. © dpa

In dieser Pokal-Saison sind die ganz großen Überraschungen ausgeblieben. Ein Kommentar, woran das liegen könnte.

Der Pokal hat seine eigenen Gesetze, sagt man ja gerne gedankenlos, wenn eine uralte Plattitüde benutzt werden soll, um ungewöhnliche Ergebnisse in diesem Wettbewerb zu beschreiben. Wenn also der turmhoch überlegen Favorit aus Liga eins auf einem Acker gegen den mutig sein Herz in beide Hände nehmenden fünftklassigen Amateurklub verliert. Eigene Gesetze? Vielleicht auch einfach nur Hochmut der vermeintlich Großen.

Dass derlei selbst heute noch vorkommt in der sehr langen Geschichte dieses Wettbewerbs, macht natürlich den Reiz des Pokals aus - jeder kann es schaffen, lautet die frohe Botschaft, wenn nur genug Herzblut und Leidenschaft reingesteckt wird. Und einem das Losglück hold ist. Denn alles Herzblut nützt ja nichts, meistens zumindest, wenn, sagen wir, der FC Bayern als Gegner gezogen ist - es sei denn, Holstein Kiel darf Elfmeter schießen gegen den Branchenführer, wie 2021 (was nebenbei bemerkt nicht unbedingt die Attraktivität des Pokals geschmälert hat).

In dieser Pokal-Saison, in dem sich die acht Viertelfinalisten qualifizierten, sind die ganz großen Überraschungen ausgeblieben. Na gut, Bayer Leverkusen ist nicht mehr dabei, auch Borussia Mönchengladbach hat die Segel streichen müssen, aber so wie beide Klubs in der Liga auftreten, lockt man mit dieser Neuigkeit keinen Hund hinterm Ofen hervor.

Schnell am Fleischtopf

Was statt dessen auffällt: Weiterhin im Klassement sind fünf der sechs Klubs, die auch in der Bundesliga ganz vorne stehen, Bayern, Union Berlin, RB Leipzig, Eintracht Frankfurt und SC Freiburg, und es sind nur deshalb nicht alle sechs, weil Borussia Dortmund bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch in Bochum antreten musste.

Eine solche Konstellation hat es seit langem nicht mehr gegeben, in der vergangenen Runde waren etwa Dortmund, Frankfurt oder die Bayern schon früh aus dem Rennen, auch im Jahr davor hat es ein kleines Favoritensterben gegeben. Das ist in diesem Jahr anders. Ja, fast hat es den Eindruck, als spielte das halbe gute Dutzend eine zweite Deutsche Meisterschaft aus, gekrönt in Berlin mit dem Finale.

Bemerkenswert zudem: Keine der vermeintlich großen Klubs leistete sich dieses Mal den Luxus, eine Art B-Elf im Pokal zu nominieren - wenn man mal davon absieht, dass der eine oder andere Klub seinen zweiten Torwart in die Kiste stellt. Eintracht Frankfurt hat, wiewohl es „nur“ zu Hause gegen einen Zweitligisten ging, seine allerbeste Elf nominiert. Von Schonung oder Belastungssteuerung wegen des ambitionierten Tanzes auf drei Hochzeiten war nichts zu sehen. Und die Sportliche Leitung ließ keinen Zweifel aufkommen: Man wolle den Pott im Juni in Berlin in die Höhe stemmen.

So denken alle: Die Klubs nehmen den Pokal längst richtig ernst, keiner kann es sich leisten, diesen Wettbewerb abzuschenken oder gering zu achten. Denn schneller als im Pokal, schafft man es nicht in ein Finale und an lukrative Fleischtöpfe. Diese Qualitätsverdichtung kann nur gut für den Wettbewerb sein, Spannung ist garantiert, denn jeder kann inzwischen jeden schlagen. Aller eigenen Pokalgesetze zum Trotz.

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