Kommentar: Bayern spürt den heißen Atem der Verfolger

Die Spitzengruppe der Bundesliga ist eng beieinander. Insbesondere die Auftritte von Borussia Dortmund nach der Winterpause geben Anlass zu Phantasie. Ein Kommentar.
Man glaubt es kaum, aber es ist die Wahrheit: Den Ersten in der Fußball-Bundesliga trennen aktuell vom Sechsten nur fünf Punkte. Nach 18 Spielen! Zum Vergleich: Vor einem Jahr waren es 15 Zähler, vor zwei Jahren zwölf, vor vier Jahren gar 17. Zweistellige Größenordnungen, die seit mehr als einem Jahrzehnt zu diesem Zeitpunkt üblich sind.
Die Bundesliga als Gesamtpaket hat unter der Eindimensionalität im Titelkampf stets gelitten. Dieses Leiden könnte zur Saison 2022/23 geheilt werden. Denn einerseits ist die Unruhe, die beim Stern des Südens herrscht, mit Händen zu greifen, andererseits präsentieren die Verfolger eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit. Union Berlin, Leipzig, Dortmund, Freiburg, Frankfurt sehen gerade allesamt so aus wie kraftstrotzende Riesen, die einem FCB auf Hinkebeinen nicht bloß hinterherhecheln, sondern ihm unliebsam auf den Pelz rücken.
Draußen, vor den Toren Münchens, wird Uli Hoeneß inmitten der schneebedeckten Hänge am Tegernsee hörbar nervös. Er sei „enttäuscht von der Leistung der Mannschaft in den ersten drei Spielen“, ließ der Ehrenpräsident des FC Bayern via „Kicker“ verbreiten. Man ist es nicht mehr gewohnt, den heißen Atem der Verfolger in einer derart ansehnlichen Zahl im Nacken zu spüren.
Insbesondere die Auftritte von Borussia Dortmund nach der Winterpause geben Anlass zu Phantasie. Zwei Siegen in der Schlussphase gegen Augsburg und in Mainz folgte eine überzeugende Vorführung in Leverkusen. Der 2:0-Sieg war auch Resultat einer in dieser Konsequenz beim BVB seltenen Bereitschaft zur anstrengenden Defensivarbeit. Emre Can ragte dabei in der Pendlerrolle zwischen defensivem Mittelfeld und offensivem Innenverteidiger heraus. Mats Hummels und Youssoufa Moukoko haben ihre Stammplätze vorerst verloren. Julian Brandt macht an einem einzigen Sonntagnachmittag im Januar 2023 mehr Wege zurück als in seiner gesamten Karriere zuvor. Und vorne aktiviert der nach Hodenkrebserkrankung, zwei Operationen und Chemotherapie fürwahr erstaunliche Sebastien Haller eine Präsenz, welche seinen dankbaren Mitspielern Räume öffnet, die es zuvor gar nicht gab.
Aber gemach: Auf den BVB ist in erster Linie insoweit Verlass, dass selten Verlass auf ihn ist. Und die Bayern mögen gerade noch so viele krisenhafte Erscheinungen an den Tag legen - sie befinden sich noch immer dort, wo alle anderen gerne wären.