Klartext in der Krise

Sportboss Jörg Schmadtke hat plötzlich Redebedarf und nimmt verspätet eine Teilschuld an der Talfahrt des VfL Wolfsburg auf sich.
Vermutlich funktioniert es nur an einem Standort wie Wolfsburg, dass ein Geschäftsführer wie Jörg Schmadtke im Grunde über Wochen auf Tauchstation gehen kann. Nicht wahrnehmbar für die Öffentlichkeit, aber auch mitunter schwer greifbar für die Mitarbeiter. Doch nach der fünften Pflichtspielniederlage des VfL hintereinander hat auch der eigenbrötlerisch veranlagte Rheinländer erkannt, dass die Talfahrt des Werksklubs so besorgniserregende Formen angenommen hat, dass ein weiteres Schweigen die Malaise am Mittellandkanal nur noch schlimmer gemacht hätte.
Die Quintessenz nach dem ernüchternden 0:2 gegen den VfB Stuttgart und dem nächsten trostlosen Auftritt lautete für Schmadtke am ZDF-Mikrofon: „Wir haben drei Jahre extremst performt mit dem Endresultat, dass wir Vierter geworden sind und uns für die Champions League qualifiziert haben. Und haben dann versucht, den nächsten Schritt in unserer Entwicklung zu gehen. Und der ist missraten, da kann man nicht drumherum reden.“
Zugleich lud der 57-Jährige erstmals dafür Schuld auf sich. Man habe eigentlich einen vielschichtigen Kader zusammengebaut, der besser sei als im vergangenen Jahr. „Sieben Niederlagen, das ist zu viel für unseren Kader. Das ist natürlich dann auch ein Planungsfehler“, räumte der Macher ein und bezog sich auch auf die gemeinsam mit Sportdirektor Marcel Schäfer getroffene Entscheidung, den unerfahrenen Trainer Mark van Bommel im Sommer einzustellen.
Mit Florian Kohfeldt übernahm Ende Oktober ein Coach, der bei Werder Bremen nach beachtlichen Anfangserfolgen in zwei Spielzeiten einen schleichenden Absturz nicht aufhalten konnte. Schmadtke aber nahm den 39-Jährigen nun explizit aus der Schusslinie: „Er hat nur eine normale Trainingswoche gehabt. Das kann man auch mal registrieren. Dem Trainer die Niederlagen in die Schuhe zu schieben, ist ein bisschen billig in meinen Augen.“ Deutlich sagte der VfL-Chef: „Florian ist nicht verantwortlich für das, was gerade passiert.“ Kohfeldt müsse Dinge ausbaden, für die er nichts könne – so hatte der ernüchterte Fußballlehrer sich nach der Stuttgart-Pleite selbst verteidigt.
Fakt ist, dass die unter dem heutigen Frankfurter Trainer OIiver Glasner erarbeiteten Vorzüge wie Körperlichkeit, Wehrhaftigkeit und Stabilität nur noch in Spurenelementen nachweisbar sind. Kohfeldt gewann in seiner ersten Woche zwar gleich drei Mal, und seine positive Art steckte zuerst viele im Verein an, doch ist davon am dritten Adventswochenende fast nichts mehr geblieben. Die taumelnden Niedersachsen spielen nun in der Hinrunde am Dienstag noch gegen den 1. FC Köln und dann am Freitag beim FC Bayern. Spätestens nach der kurzen Winterpause steht auch der Trainer in der Bringschuld, wie Schmadtke mit einem Schlenker in Richtung Kohfeldt verdeutlichte: „Wenn jetzt 20 Niederlagen am Stück kommen, wird er nicht zu halten sein, das weiß er auch selbst.“ Insgesamt wirkten Schmadtkes Ausführungen aber wohltuend beruhigend, weil keiner die Gesamtentwicklung besser hätte einordnen können. Die Frage muss erlaubt sein, warum der ehemalige Profitorwart damit nicht einfach mal eher um die Ecke kam.
Fans verlieren die Geduld
Denn seine Geheimniskrämerei kommt auch bei den Fans offenbar nicht gut an. Unter den erlaubten 5000 Besuchern am Samstagabend waren tatsächlich einige dabei, die „Schmadtke raus!“ riefen. Sein engster Mitarbeiter Schäfer rügte derlei Bekundungen als „Unverfrorenheit“. Zur Beruhigung der aufgeregten Gemüter könnte beitragen, dass Schmadtke energisch den Gerüchten widersprach, er wolle seinen Vertrag in der Autostadt im Sommer auslaufen lassen und aufhören. Sofern der VfL-Aufsichtsrat wolle, könne er sich eine weitere Zusammenarbeit sehr gut vorstellen, sagte er jetzt: „Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich ein Jahr verlängere.“ In Zukunft ein bisschen offensiver zu kommunizieren, sollten ihm die Vorgesetzten aus dem VW-Werk am besten bei Vertragsunterzeichnung flüstern.