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Kein Happyend

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Von: Jan Christian Müller

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Verbissen gekämpft: Musiala und Havertz.
Verbissen gekämpft: Musiala und Havertz. © dpa

Die deutsche Nationalmannschaft schafft beim 1:1 gegen England erneut keinen Sieg gegen einen Großen.

Ein Sieg gegen einen der Großen der Branche fehlt Hansi Flick bisher noch im Berichtsheft. Der sollte am Dienstagabend vor fast voller Hütte in München in der Nations League gegen England eigentlich eingetragen werden. Doch der konnte im elften Spiel unter Leitung des seit zehn Monaten amtierenden Bundestrainers dann doch nicht mit Sternchen vermerkt werden. Denn in der 88. Minute egalisierte der zuvor von Nico Schlotterbeck zu Fall gebrachte Harry Kane per Strafstoß die deutsche Führung durch Jonas Hofmann. Der Elfmeterentscheid fiel per Videobeweis. So stehen unter Flick gegen die Niederlande, Italien und England jetzt jeweils 1:1-Unentschieden in der Statistik.

Als Chefcoach beim FC Bayern hat sich Flick seinen guten Ruf auch deshalb erarbeitet, weil er seine Mannschaft selten rotieren ließ und damit erfolgreich war. Lieber setzte er auf eine bewährte Achse und verlässliche Abläufe. Im Juni 2022 zurück in der ehemals heimischen Arena in München, mischt der längst vom Bayern- zum Bundestrainer mutierte Flick die DFB-Startelf mächtig durch. So sah sich Gegner England gleich mit sieben deutschen Spielern konfrontiert, die am Pfingstsamstag beim 1:1 in Italien anfangs noch auf der Bank gehockt hatten. Auf diese Weise sollte sicher auch manche Unwucht aus dem Spiel eliminiert werden, die den Bundes-Hansi gegen Italiens B-Elf sehr gestört hatte. Als Feldspieler blieben in der Rotation XXL nur Antonio Rüdiger, Joshua Kimmich und Thomas Müller vor Torwart Manuel Neuer übrig.

Früher Wechsel

Im ehemaligen Wohnzimmer wurde Flick mit reichlich Beifall begrüßt, als er eine knappe Stunde vorm Anpfiff den Rasen betrat. Er winkte wie ein König ins Publikum. Das könnte er sich am Wochenende vom Hologramm der Queen aus Anlass deren 70. Thronjubiläums abgeschaut haben. Deren Landsleute waren beim 0:1 in Ungarn noch rumpeliger in die Nations League gestartet als die Deutschen.

Es gab also für beide Team einiges gutzumachen an diesem milden Abend in stimmungsvoller Atmosphäre. Und das versuchten sie sichtbar. Das Wort „Intensität“ hat sich längst zur Lieblingsvokabel des Bundestrainers entwickelt. Und nach dem warmen Beifall für kollektiven Kniefall vor dem Anpfiff ging es dann auch sehr ordentlich zur Sache. So ordentlich, dass alleine in der ersten Halbzeit bemerkenswerte acht Minuten nachgespielt wurde.

Das lag vor allem an der frühen Verletzungspause des Engländers Kalvin Phillips, der schon in der 13. Minute ausgewechselt werden musste. Unschön, dass die DFB-Elf sich die Verletzung des Mittelfeldspielers zum Vorteil nutzen wollte. Thomas Müller traf, nachdem der Schiedsrichter bereits abgepfiffen hatte, zum vermeintlichen 1:0 – und nörgelte hinterher unverständlicherweise gemeinsam mit ein paar Spielkameraden herum, dass der Treffer richtigerweise nicht gezählt hatte. Fairplay sieht anders aus. Später wurden tatsächlich geschlagenen acht Minuten nachgespielt

Das deutsche Männerteam trat in Frauenklamotten auf, präziser formuliert: in den Trikots der Frauen-Nationalmannschaft, um auf deren EM in diesem Sommer in England aufmerksam zu machen. Eine Werbeaktion, die auch dem Ausrüster entgegenkommt. Die Hemden standen den Spielern gut, das Team agierte mit viel Zug zum Tor. Das wähnte Jonas Hofmann nach 24 Minuten bereits getroffen, doch die Überprüfung durch den Videoassistenten ergab das, was der Assistent bereits gut gesehen hatte: Nichtanerkennung wegen Abseits.

Es war in der Tat einiges los in beiden Strafräumen. Sowohl Jordan Pickford als auch Neuer erwiesen sich mehrfach auf dem Posten, als sie gefordert waren. Die Zweikämpfe wurden mit Vehemenz geführt, das Spiel lief auch deshalb flüssig, weil Referee Carlos del Cerro Grande aus Spanien großzügig viel laufen ließ.

Elfmeter kurz vor Schluss

Das leichte spielerische Übergewicht, das sich die Gastgeber in den ersten 25 Minuten erarbeitet hatte, beantworteten die Gäste stabil und schafften es bis zur Pause, sich selbst eine kleine Überlegenheit zu erspielen. Sehr zur Freude der rund 5000 englischen Fans, die immer wieder die ja durchaus melodische Nationalhymne anstimmten und auch so eine Menge guter Stimmung verbreiteten.

Die wurde jäh gebrochen, als Joshua Kimmich, vor dem Anpfiff zum „Nationalspieler des Jahres 2021“ gekürt, in der 51. Minute eine erhellende Idee hatte. Er steckte einen Pass fein getunt auf den in die Tiefe gestarteten Hofmann durch, der den erstaunlicherweise gewährten freien Raum zum Anlass nahm, halbhoch zum 1:0 zu treffen. Diesmal zählte das Tor. Und Hofmann durfte sich bald darauf die Gratulationen bei seiner Auswechslung des Publikums und der Mitspieler einholen.

Die Deutschen, angetrieben besonders von David Raum, Kimmich und Ilkay Gündogan, manifestierten die Führung zunächst durch gutes Kombinationsspiel. Doch als der Angstmann des deutschen EM-Aus 2021, Linksaußen Jack Grealish, eingewechselt wurde, öffneten sich den Engländern plötzlich Räume, die vorher verschlossen gewesen waren. Und sie wurden immer gefährlicher.

Die multiplen Zitterszenen im deutschen Strafraum führten schließlich zum Elfmeter und zum Ausgleich. Schlotterbeck sah zu allem Überfluss auch noch die einzige Gelbe Karte des ansonsten sehr anständigen Spiels.

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