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Kanadas Legende Amy Walsh: „Situation ist inakzeptabel“

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Amy Walsh
Amy Walsh (Mitte) in Aktion. © imago sportfotodienst

Kanadas Fußballlegende Amy Walsh über gekürzte Mittel für das Nationalteam der Frauen kurz vor der WM und den Kampf der Spielerinnen für mehr Gleichberechtigung.

Wenige Monate vor Beginn der Frauenfußball-WM kämpft die kanadische Frauen-Nationalmannschaft gegen den eigenen Verband. Grund dafür ist unter anderem die radikale Kürzung der Gelder, mit denen die Spielerinnen die Vorbereitung auf das große Turnier im Sommer bestreiten sollen. Dieser Protest hat erste Konsequenzen nach sich gezogen: Verbandspräsident Nick Bontis ist am Montag mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Der 53-Jährige erkannte an, dass „dieser Moment eine Veränderung erfordert“.

Im Interview äußert sich die ehemalige kanadische Nationalspielerin Amy Walsh (45), Mitglied der Hall of Fame ihres Landes, zu der Situation des Teams. Auch sie beklagt die ungerechten Bedingungen, denen Fußballspielerinnen ausgesetzt sind.

Was führte zum Protest der kanadischen Frauen-Nationalmannschaft?

Das Ganze kam nicht überraschend, beim kanadischen Fußballverband brodelt es schon seit langem. Den Ausschlag gaben die Erfolge der Männer-Nationalmannschaft, die sich 2022 erstmals seit 36 Jahren für eine Weltmeisterschaft qualifiziert haben. Das Team wurde dafür im ganzen Land gefeiert, erhielt verstärkte finanzielle Unterstützung und mehr Ressourcen vom Verband. Das Frauen-Team hat daraufhin das Gleiche gefordert, schließlich sind sie weitaus erfolgreicher. 2021 haben sie bei den Olympischen Spielen in Tokio die Goldmedaille gewonnen, in den Jahren zuvor bereits zweimal Bronze.

Die Nationalspielerinnen haben während der Länderspielpause im Februar schlechte Bedingungen und fehlende Ressourcen angeprangert.

Der Verband hat beispielsweise die Anzahl der Spielerinnen und Staff-Mitglieder, die im Februar ins Trainingslager reisten, sowie die Dauer der Maßnahme verringert. Zu den Spielorten mussten alle in der Economy Class fliegen. Auch das Budget für das Frauen-Team, sowie die U-Nationalmannschaften wurde drastisch gekürzt. Den Spielerinnen geht es aber nicht um Equal pay, sondern um faire, gerechte Bedingungen. Sie wollen vom Verband dieselbe finanzielle Unterstützung, die das Männer-Team letztes Jahr vor der WM erhielt.

In Kanada gibt es bis heute auch keine eigene Frauenfußball-Liga. Warum unterstützt der Verband die Spielerinnen trotz ihrer großen Erfolge nicht?

Zur Person

Amy Walsh , 45 Jahre alt, gehört zu den bekanntesten und erfolgreichsten kanadischen Fußballspielerinnen. Zwischen 1997 und 2009 absolvierte sie 102 Länderspiele. 2010 wurde Walsh erstmals Mutter und beendete gleichzeitig ihre Karriere. (FR)

Es ist unerklärlich und zeigt, wie respektlos die Spielerinnen, die Olympiasiegerinnen sind, behandelt werden und dass man sie vielmehr als Athletinnen zweiter Klasse ansieht. Sicherlich steht das Ganze in Zusammenhang damit, wie der Verband geführt wird und dass dort ein großer Unwille herrscht, die ungleiche Förderung und Verteilung von Geldern zu korrigieren. Dass es frühestens ab 2025, vier Jahre nach dem olympischen Gold, eine eigene Frauenfußball-Liga in Kanada geben soll, ist unverzeihbar.

Viele Spielerinnen und Nationalteams haben sich solidarisch gezeigt. Was hat diese Unterstützung den kanadischen Nationalspielerinnen bedeutet?

Sie sind sehr frustriert und wütend darüber, wie sie vom Verband behandelt werden. Als andere Teams, unter anderem die USA und Europameister England, mit lila-farbenen Armbändern als Zeichen ihrer Solidarität aufliefen, war das sehr emotional. Bekannte Spielerinnen, wie Megan Rapinoe und Alex Morgan, haben sich auch in Interviews kritisch über den kanadischen Fußballverband geäußert. Dieser scheint in einem anderen, dunklen Zeitalter festzuhängen. Die kanadischen Spielerinnen sind bereit, ihre Karriere in der Nationalmannschaft aufs Spiel zu setzen und ihren Traum von der WM aufzugeben. Jetzt braucht es auch mehr Unterstützung und Einsatz vom Männerteam. Es muss sich etwas ändern, denn die aktuelle Situation der Spielerinnen ist absolut inakzeptabel.

Können die Kanadierinnen zum Vorbild im Kampf für mehr Gerechtigkeit im Frauenfußball werden?

Die Spielerinnen müssen heute gegen viele Dinge gleichzeitig kämpfen, seien es unfaire Bedingungen, fehlende Ressourcen oder Gelder. Es ist eine schwierige Situation. Was die kanadischen Spielerinnen machen, ist sehr ehrenhaft und tapfer, das ganze Land unterstützt sie. Es kann auf jeden Fall andere Teams motivieren, sich gegen ihre eigenen Verbände zu stellen und die längst überfällige Gleichberechtigung einzufordern.

Interview: Alina Ruprecht

Fans des kanadischen Frauen-Fußballnationalteams zeigen ihren Unmut.
Fans des kanadischen Frauen-Fußballnationalteams zeigen ihren Unmut. © afp

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