Mainz 05: Boss Heidel kritisiert Schiedsrichter Jöllenbeck und verteidigt Trainer Svensson

Die Nachwehen des 2:3 von Mainz 05 gegen Schalke 04 halten an. Christian Heidel, Sportchef von Mainz 05, findet: „Bo war emotional, ja – aber Emotionalität wollen wir doch im Fußball“
Der Trainer des Fußball-Bundesligisten FSV Mainz 05, Bo Svensson, soll sich laut Auskunft des Referees am Wochenende beim Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck für Beschimpfungen in Richtung des Unparteiischen aus Freiburg entschuldigt haben. Das erfuhr die Frankfurter Rundschau im Gespräch mit Jöllenbeck. Der 36-jährige Referee berichtete von einem persönlichen Telefonat, in dem Svensson (47) „glaubwürdig und aufrichtig um Entschuldigung gebeten“ habe. „Er bereue sein Verhalten, insbesondere mich persönlich angegangen zu haben.“
Christian Heidel kritisiert Matthias Jöllenbeck
Zu dem von Jöllenbeck erwähnten persönlichen Austausch äußerte sich nach Bekanntwerden des FR-Berichts der Mainzer Sportvorstand Christian Heidel via „Bild“ lobend (für seinen Trainer) und kritisch (über den Schiedsrichter). Er fände Svenssons Anruf gut, „weil Trainer und Schiris stets im vernünftigen Austausch bleiben sollten. Warum Dr. Jöllenbeck damit aber sofort an die Presse geht, bleibt sein Geheimnis, passt jedoch für mich ins Bild.“
Zudem dementiert Heidel, dass Svensson sich in dem Telefongespräch bei Jöllenbeck entschuldigt habe, ausdrücklich: : „Bo war emotional, ja – aber Emotionalität wollen wir doch im Fußball. Er hat Herrn Jöllenbeck mit keinem Wort persönlich angegriffen, dafür musste er sich nicht entschuldigen, und das hat er auch nicht getan.“
Mediziner Jöllenbeck, der an drei Tagen pro Woche als Assistenzarzt an der Universitätsklinik in Freiburg in der Orthopädie tätig ist, hatte am Freitagabend beim Spiel der Mainzer gegen Schalke 04 den Gästen in der Nachspielzeit nach Eingriff des Videoassistenten einen Strafstoß zuerkannt, der nach überwiegender Expertenmeinung - ausgenommen Ex-Fifa-Referee Manuel Gräfe - berechtigt war. Der zuvor gefoulte Schalker Stürmer Marius Bülter verwandelte den Elfmeter zum 3:2-Endstand für seine Mannschaft.
Bo Svensson tobte in der Mixed Zone
Svensson übte danach lauthals in der Mixed Zone Kritik an Jöllenbeck („Fehlentscheidung, Frechheit, Skandal“) und wies den um Ausgleich bemühten Referee im aggressiv geführten persönlichen Gespräch auch auf eine Fehlentscheidung vor einem Jahr in Augsburg hin. Aus Heidels Sicht jeweils keine persönlichen Angriffe.
Jöllenbeck, der das offenbar anders empfunden hatte, berichtete davon am späten Freitagabend: „Damals habe ich einen Fehler gemacht und mich dafür auch entschuldigt. Das hat Bo Svensson mir aufs Brot geschmiert. Er hat gesagt, ich hätte damals schon beschissen. Das finde ich schade und enttäuschend.“
Bo Svensson bedauerte seine Wortwahl
Bereits am selben Abend hatte Svensson im Gespräch mit Journalisten seine Wortwahl und Phonstärke der Kritik bedauert. Der Däne äußerte in einer Presserunde, es sei nicht okay gewesen, die Szene aus Augsburg aus dem April 2022 noch einmal zu thematisieren. Er habe „ein paar Sachen gesagt, die ein Fehler waren. Das gebe ich auch zu“.
Stefan Bell ordnete ohne Groll ein
Vorbildlich fair hatte sich der Mainzer Routinier Stefan Bell schon am Freitagabend verhalten: „Der Sieg für Schalke ist verdient. Wir haben viel zu viele Chancen zugelassen, unser Torwart Robin Zentner hat super gehalten. Das ist der einzige Grund, warum erst der Elfmeter entschieden hat.“
Jöllenbeck lobt Svensson: „Größe und Anstand
Die Irritation mit Svensson seien dank des Telefonats vollständig ausgeräumt, hatte Jöllenbeck eigentlich gehofft. Das Gespräch mit Svensson habe sich zu einem „angenehmem, fast sympathischen Telefonat“ entwickelt. „Wenngleich ich über manche Äußerungen vom Freitagabend tief enttäuscht war, hat es mich gefreut, dass er als Bundesligatrainer das macht. Das zeigt Größe und Anstand. Natürlich habe ich die Entschuldigung angenommen und die Sache ist damit für mich auch erledigt. Bei der nächsten Begegnung fangen wir wieder bei Null an.“
Zudem lobte Jöllenbeck ausdrücklich den Mainzer Sportdirektor Martin Schmidt für dessen Fairness unmittelbar nach Schlusspfiff. „Er ist auf dem Platz auf mich zugekommen und hat sich für die Spielleitung bedankt. Das finde ich bemerkenswert.“
Der ausgebildete Schiedsrichter Oliver Ruhnert sieht es anders als Christian Heidel
Ähnlich versöhnliche Töne sind von Schmidts Vorgesetztem Heidel nicht zu vernehmen. Der sagt - anders als die Experten des Schiedsrichterportals „Collinas Erben“ und Union Berlins Sportchef und Schiedsrichter Oliver Ruhnert - die Strafstoßentscheidung sei falsch gewesen. Und er führt aus: „Es muss erlaubt sein, Schiedsrichter zu kritisieren, genauso wie Spieler kritisiert werden. Das lasse ich mir nicht nehmen. Wir hätten besser spielen können und der Schalker Sieg war nicht unverdient, aber entschieden hat dieses Spiel der Schiedsrichter. Und diese Meinung lasse ich mir von niemandem nehmen.“
Dass Schiedsrichter kritisiert werden dürfen, ist sicher richtig. Es passiert ja auch regelmäßig sowohl durch die Klubs als auch die Medien. Was Heidel - der bei Svenssons Wutausbruch in der Mixed Zone des Stadions nicht sichtbar anwesend war - jedoch dabei nicht erwähnt: Es kommt nicht nur auf den Inhalt, sondern vor allem auch auf Ton und Umgang an.
Christian Heidel hätte Entschuldigung von Matthias Jöllenbeck erwartet
Wie dem auch sei. Heidel, der seinen Trainer schon in der Vergangenheit nach dessen multiplen Gelben Karten, gekrönt von einem durch Deniz Aytekin ausgesprochenen Platzverweis Anfang Februar beim 0:4 im Pokal gegen Bayern München, stets vehement verteidigte, dreht den Spieß um. Er hätte von Schiedsrichter Jöllenbeck eine Entschuldigung erwartet: „Fehler passieren und man muss dazu stehen.“ Dann sei die Angelegenheit „immer abgehakt“.
Der im persönlichen Umgang ansonsten meist angenehme Bo Svensson hatte sich seinerzeit bei Referee Aytekin entschuldigt, aber darauf verwiesen, er habe keine Schimpfworte benutzt. „Er hat lautstark gefragt, ob wir blind sind“, berichtete Aytekin hinterher. Die Unparteiischen würden viel aushalten, aber „beleidigen lassen wir uns nicht, da ist die Grenze für mich erreicht.“ Die Schiedsrichter seien „nicht die Mülleimer der Nation“