Immer im Vollsprint

Stürmer Jae-Sung Lee erlebt in Mainz die beste Phase seiner Karriere und schon wird der Südkoreaner auch für andere interessant.
Nach getaner Arbeit hat der Südkoreaner Jae-Sung Lee einen Satz formuliert, der seinen Aggregatzustand nach dem vor allem ihm zu verdankenden 3:1 (2:1)-Sieg des FSV Mainz 05 gegen den FC Augsburg so beschrieb: „Ich bin sehr tot.“ Der Irrwisch hatte zuvor die Tore eins und drei für die Rheinhessen erzielt, und zwar auf typische Lee-Art: Ball erkämpft, sich gegen Widerstände durchgesetzt und dann ziemlich cool vollendet. Irgendwann in der Schlussphase musste der Nationalspieler, begleitet von „Lee, Lee, Lee“-Sprechchören, mit Krämpfen ausgewechselt werden.
Beim Hinspiel in Augsburg hatte Lee in der 92. Minute die Entscheidung zum 2:0-Sieg herbeigeführt. Diesmal witzelte der meistens gut gelaunte Mainzer Torwarttrainer Stephan Kuhnert während der Pause in der Kabine: „Hey Lee, diesmal triffst du aber bitte früher.“ Und Mitspieler Stefan Bell fügte fordernd hinzu: „52. statt 92. Minute!“
Genauso machte es der höfliche Asiate dann auch. Bell lobt den 30 Jahre alten Offensivmann tags darauf umfassend: „Er wirkt wie ein 23-Jähriger. Er ist brutal giftig und sich für nichts zu schade.“ Und außerdem ist Bell aufgefallen: „Der kann nur ein Tempo: Vollsprint!“
Trainer Bo Svensson und Sportdirektor Martin Schmidt packten noch ein paar gute Worte mehr in das Füllhorn an Lob für Lee, die sich bei genauer Betrachtung nicht ganz übereinanderlegen lassen. Svensson: „Ich kann mir Mainz 05 nicht ohne Lee vorstellen.“ Schmidt: „Wenn er dauernd Tore schießt, fällt das natürlich auch anderen Vereinen auf.“
Festgekrallt im Mittelfeld
Im Winter hatte es Debatten um die Zukunft des bis 2024 vertraglich an die Mainzer gebundenen WM-Teilnehmer Lee gegeben. Ein Blog-Eintrag des in dieser Saison bisher sechsfachen Torschützen war nach der Weltmeisterschaft in Katar so übersetzt worden. Es sei „an der Zeit, im Sommer mit Veränderungen zu rechnen“. In Mainz haben sie das so ein bisschen als Missverständnis abgetan. Wobei es in dieser Causa keine konkreten Hinweise auf schwerwiegende Übersetzungsfehler gibt. Am Samstagabend sagte Lee auf Nachfrage pflichtgemäß, er sei „sehr glücklich“ in Mainz. Fairerweise muss man hinzufügen, dass eine komplexe Angelegenheit wie diese für die Medien mit dem seit August 2018 in Deutschland beheimateten Südkoreaner natürlich in dessen Sprache tiefgehender zu besprechen wäre. Und noch dazu mit mehr Ruhe als in einer Mixed Zone nach einem Bundesligaspiel. Wie dem auch sei: Sollte Lee weiter so performen wie zuletzt, dürfte die Personalie ein Thema bleiben.
Mit dem Blick von oben auf den Verein lässt sich feststellen: Mit dem erst dritten Heimsieg der Saison haben die Nullfünfer sich „am Mittelfeld festgekrallt“ (Martin Schmidt). Die Stimmung war trotz der Minuskulisse von 22 200 Zuschauenden prächtig, was eher der guten Leistung der Mannschaft, der ausgelassenen Fastnachtsstimmung mit Funkenmariechen, Kapelle und vielen, vielen Fans in Verkleidung zuzuordnen war als den gewöhnungsbedürftigen Karnevalstrikots, deren Layout vom grau des Augsburger Gegners freilich noch deutlich unterboten wurde. Am Ende schnurz: Die Leute sahen ein wildes Kampfspiel, das ein paar mehr Besucher:innen allemal verdient gehabt hätte.