- 1 Kommentar
- Weitere
Kommentar
Imagefilm und Wutgebell
- vonJan Christian Müllerschließen
Schon wieder ist der DFB in ein Fettnäppchen getreten. Ein Kommentar.
Oliver Bierhoff, der Marketingverantwortliche des DFB-Teams, bekommt gerade wieder deutlich aufgezeigt, wie hochsensibel all das verfolgt wird, was er unter der Überschrift „Die Mannschaft“ präsentiert. Zu ärgerlich, ja abstoßend, empfanden viele Menschen die Überkommerzialisierung, die ihren Höhepunkt bei der auf allen Ebenen verkorksten WM 2018 fand. Bierhoff hat danach Umfragen in Auftrag gegeben, die die mediale Ablehnung des Slogans „Die Mannschaft“ nicht bestätigten. Also blieb es dabei.
Aus einigen Ballons wurde aber die Luft gelassen. Das Marketinggedöns, das für die Sponsoren wichtig ist, wird nicht mehr ganz so brachial serviert. Es ist ein schmaler Grat, die Millionen-Engagements der Partner zu befriedigen, ohne den Leuten ständig mit absatzfördernden Botschaften in den Ohren zu liegen und so den gegenteiligen Effekt einer Anti-Werbung zu bewirken.
Jetzt hat die Abteilung Bierhoff im Zusammenhang mit der Aktion „Human Rights“ erlebt, dass ihr das richtige Gespür für eine kritische Öffentlichkeit gerade mal wieder abhandengekommen ist. Tatsächlich ist sie mit einem kurzen, unter dem Hashtag „Die Mannschaft“ veröffentlichten Filmchen, in dem die Katar-kritische Textilmalerei der Spieler präsentiert wurde, mitten hinein in ein Fettnäpfchen getreten, das sie besser ausgelassen hätte. So ist viel vom dem, was Spieler und Verband mit der weltweit beachteten Aktion für Menschenrechte gemeinsam aufgebaut hatten, in einem Umfeld der Empörungskultur sozusagen mit dem Hintern wieder umgestoßen worden.
Aber ganz ähnlich, wie dieser von dramatischer Musik und Beifall unterfütterten Kurzfilm eine Umdrehung zu viel war, muten auch manche Reaktionen in ihrem Wutgebell übertrieben an. DFB und Nationalspielern sogleich „Heuchelei und Scheinheiligkeit“ zu bescheinigen, ist eine dieser typisch unleidlichen Interpretationen, die der wichtigen Sache genauso wenig gerecht werden wie der überflüssige Imagestreifen mit Malerrollen.
Denn als scheinheilige Heuchler haben sich Profis wie Joshua Kimmich, Antonio Rüdiger, Manuel Neuer und Leon Goretzka schon seit geraumer Zeit sicher keinen Namen gemacht, sondern ganz im Gegenteil mehrfach mit Einsatz gegen Rassismus, Rechtsextremismus, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit. Deren Glaubwürdigkeit beim Aufruf für Menschenrechte nun an ihrer Bereitschaft zu einem WM-Boykott zu messen, verfehlt das Ziel ungefähr genauso weit, wie das DFB-Video seines verfehlt hat.