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HSV gegen Pauli: Ziemlich beste Feinde

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Von: Jan Christian Müller

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Und wer behält am Freitag die Oberhand? Leart Paqarada (li.) mit St. Pauli oder Laszlo Benes mit dem HSV?
Und wer behält am Freitag die Oberhand? Leart Paqarada (li.) mit St. Pauli oder Laszlo Benes mit dem HSV? © Imago

Das Hamburger Derby verspricht diesmal besonders viel Spannung – auch weil sich die Trainer nicht besonders mögen.

Viele Fans des Hamburger SV fühlen sich gerade ziemlich unentschieden. Die warme Vorfreude aufs ausverkaufte Derby am Freitagabend (18.30 Uhr/Sky) im Volksparkstadion gegen den FC St. Pauli mischt sich mit kalter Angst; bloß nicht wieder Scheitern im fünften Jahr in Liga zwei. Nicht wieder nur Vierter werden, wie schon in den ersten drei Jahren nach dem Abstieg, und besser auch nicht Dritter, wie vergangene Saison, als in der Relegation nach einem Hamburger Hinspielsieg in Berlin dennoch Hertha BSC den Erstligaverbleib schaffte.

Die Anspannung im Fanlager ist mit Händen zu greifen. Ein sechstes Jahr im Unterhaus würde für den anno 2018 letzten ausgestorbenen Bundesliga-Dino einem neuerlichen Nahtoderlebnis gleichkommen. Dann wäre auch die beim HSV handelsunübliche Kontinuität auf den entscheidenden Positionen Sportvorstand und Cheftrainer gescheitert. Jonas Boldt und Tim Walter durften trotz verpasster Aufstiegsmission 2022 entgegen mancher Gegenströmung im Verein, Vorstand und Aufsichtsrat nämlich bleiben.

Verbal ungemütlich

Man könnte es derzeit so sehen: Nur eines der letzten fünf Spiele haben die Rothosen gewonnen. Oder man sieht es lieber so, wie Trainer Tim Walter es errechnet hat: 53 Punkte nach 28 Spieltagen und somit „die beste Saison, die der HSV bisher in der zweiten Liga gespielt hat“. Der Presseraum war gerammelt voll am Mittwoch, als Walter seine allseits bekannten Wahrheiten verbreitete: „Sind immer bei uns geblieben“, „stehen für was“, „haben unseren Spielstil“, „ziehen unser Ding durch“. Und dann sagte der im Umgang mir den regionalen Medien nicht unbedingt Herzenswärme verbreitende Chefcoach noch: „Man muss nicht immer alles negativ sehen.“

Die einheimische Presse hatte es nämlich durchaus negativ gesehen, und das gewiss nicht zum ersten Mal, dass vergangenen Samstag beim 0:2 in Kaiserslautern der Rückstand nur deshalb entstand, weil der HSV auf einen langen Sicherheitsschlag verzichtete, unter Druck dennoch flach aufbauen wollte und den Ball verlor. Deshalb seine Herangehensweise zu verraten, kommt für Walter nicht in Frage.

Da kann der gute Mann auch mal ungemütlich werden und verbal eine Schublade tiefer rutschen. Unleidliche Menschen, die den Hanseaten voraussagen, dass sie so wieder den Aufstieg verpassen, ignoriert er geflissentlich: „Ist mir scheißegal. Wir sind von uns überzeugt, genau so treten wir auf.“ Dabei hatte Mittelstürmer Robert Glatzel nach der Schmach vom Betzenberg schon mal zartbitter darauf hingewiesen, dass es unter Gegnerdruck angeraten sein könnte, auch mal einen Notball in die Spitze zu bolzen. Für Walter ein Rotes Tuch.

Fabian Hürzeler (30) vom FC St. Pauli kennt trotz seiner Jugend die Herangehensweise des Kollegen schon geraume Zeit. Die Wege der beiden kreuzten sich nämlich schon vor fast sechs Jahren, als Hürzeler als Spielertrainer des Dorfvereins FC Pipinsried bei der von Walter gecoachten zweiten Mannschaft des FC Bayern in der Regionalliga antrat. Der Außenseiter gewann durch einen Treffer von Hürzeler himself 1:0, der Siegtorschütze flog nach 70 Minuten aber vom Platz, Walter attestierte ihm „Selbstüberschätzung“, Hürzeler warf der Bayern-Bank „ständige Provokationen und Beleidigungen“ vor. Laut Selbstauskunft haben die beiden zwischenzeitlich die Friedenpfeife geraucht, im übertragene Sinne natürlich nur.

Ganz dicke Freunde werden sie aber sicher nicht mehr. Walter tat sich denn auch schwer, den jungen Kollegen fundamental zu loben für dessen seit dem Wochenende durch das 1:2 gegen Eintracht Braunschweig gerissene Siegesserie von zehn Spielen seit Amtsübernahme; Hürzeler seinerseits lobt Walter für dessen Konsequenz, nicht vom eigenen Weg abzukommen und so Sorge dafür zu tragen, dass die HSV-Spieler ihre Prinzipien genau kennen. Es könnte sich dabei um ein vergiftetes Lob handeln: Dass Hürzeler nämlich auch eine gewisse Eindimensionalität diagnostiziert hätte. Er würde das natürlich niemals laut sagen.

Für St. Pauli ist aufgrund des Stolperers gegen Braunschweig das Derby die letzte realistische Chance, den HSV noch einholen zu können. Fünf Ligaspiele sind es danach nur noch, der Abstand beträgt derzeit sechs Punkte und eine um sieben Treffer bessere Tordifferenz zugunsten des Platzhirschen. Hürzeler glaubt, dass am Freitagabend sehr viel im Kopf über Wohl und Wehe entschieden wird. Er hat das bei Manchester Uniteds Trainerikone Alex Ferguson nachgelesen.

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