Für Jürgen Klinsmann ist Heimweh verboten!

Jürgen Klinsmann hat einen neuen Job: in Seoul. Der Deutsche mit Erstwohnsitz unter der Sonne Südkaliforniens muss künftig in Südkorea wohnen. Ob ihm das gelingt? Ein Kommentar.
Das Bemerkenswerte an der Nachricht zur Übernahme der südkoreanischen Fußball-Nationalmannschaft durch Jürgen Klinsmann steht im Kleingedruckten: Der Deutsche mit Erstwohnsitz unter der Sonne Südkaliforniens muss künftig in Südkorea wohnen. Airport-Hopping zwischen Los Angeles und Seoul hat sich der südkoreanische Verband nämlich klugerweise ausdrücklich verbeten. Das war laut Verbandsangaben Voraussetzung, um die nun erfolgreich abgeschlossenen Vertragsgespräche überhaupt zu intensivieren.
Tja, das muss nicht, aber es könnte zum Problem werden. Denn auch wenn es sich bei Klinsmann um einen weltgewandten Globetrotter handelt, so hat der immer noch jugendlich daherkommende 58-Jährige es abseits der USA schon lange nicht mehr über einen mehr als überschaubaren Zeitraum ausgehalten. In Seoul kann sich Klinsmann Heimweh nach seinem Anwesen in Huntington Beach nicht leisten.
Und es wäre in der Tat auch nicht ratsam, den Job genauso zu organisieren, wie der zu einer gewissen Eigenwilligkeit neigende Schwabe das in seiner Amtszeit als deutscher Bundestrainer zwischen August 2004 und Juli 2006 getan hat. Wir erinnern uns: Seinerzeit saß der Projektleiter des Sommermärchens ungeniert schon so gut wie in der Lufthansa First Class gen Amerika, als die Nationalspieler nach Länderspielen noch unter der Dusche standen. Selbst den WM-Workshop 2006, zu dem Trainer aus aller Welt eigens nach Düsseldorf gekommen waren, schwänzte er.
Irgendwann schwoll Uli Hoeneß dann der Kamm: „Der soll nicht ständig in Kalifornien herumtanzen und uns hier den Scheiß machen lassen“, grollte es aus München. Klinsmann entgegnete kühl: „Das Wohnsitz-Thema stellt sich nicht.“ Am Ende ging alles gut, der bekennende Reformator aus Orange County renovierte den deutschen Fußball, führte ein Land, das sich selbst nicht mehr wiedererkannte, zum Sommermärchen und wurde allseits gefeiert. Dann trollte er sich wieder zurück an den Pazifischen Ozean. Gastspiele in München und Berlin endeten später desaströs. Der Abschied von der Hertha geriet zu einer beispiellosen kommunikativen Peinlichkeit.
Nationalmannschaft kann Klinsmann besser als Verein. Die US-Kicker coachte er beachtliche fünf Jahre lang und brachte es in Personalunion gar bis zum Technischen Direktor des Verbandes. Ähnlich allumfassend dürfte er seine neue Aufgabe in Südkorea angehen. Das ist auch notwendig.
Guus Hiddink, der die Südkoreaner 2002 beim Turnier im eigenen Land ins Halbfinale führte, ist dort bis heute eine Art Nationalheld. Für den Niederländer war es selbstverständlich, seine Arbeit anderthalb Jahre vor Ort in Südkoreas Hauptstadt zu verrichten und viel tiefer zu wirken, als dass das gemeinhin ein Fußballlehrer tut. Hiddink gelang es seinerzeit, eine ganze Nation in Freudentaumel zu führen. Hinterher hieß es, Führungskräfte der Weltkonzerne Hyundai oder Samsung sollen von Hiddink lernen.
Das entspricht genau dem gedanklichen Ansatz des überaus selbstbewussten Klinsmann. Er wird dürfte aber schwerer haben als der große Holländer, das ganze Land hinter sich zu versammeln. Denn die WM 2026 findet nicht in Südkorea statt. Sondern in den USA. Wahrscheinlich hat Klinsmann deshalb zugesagt.