Hansis Debütantenball

Bundestrainer Flick nominiert gleich fünf Neulinge für den Länderspiel-Doppelpack gegen Peru und Belgien.
Auf exakt eine halbe Stunde hatte Hansi Flick am Freitag auf dem Campus des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) die Vorstellung seines ersten Kaders nach der misslungenen WM in Katar begrenzt. So hat der Bundestrainer im Schnelldurchgang erklären müssen, warum er zu den ersten Länderspielen des neuen Jahres gegen Peru (25. März) und gegen Belgien (28. März) in einen ziemlich bunten Baukasten greift.
Nur noch 15 WM-Fahrer sind dabei, dafür aber gleich fünf Novizen. Die hatte in dieser Zusammensetzung sicher niemand auf dem Zettel: Josha Vagnoman, der beim Abstiegskandidaten VfB Stuttgart keinen Stammplatz besitzt; Marius Wolf, der sich bei Borussia Dortmund durchgebissen hat; Mergim Berisha, der für den FC Augsburg zuletzt vor Flicks Augen beim FC Bayern überzeugte, Felix Nmecha; der beim VfL Wolfsburg nur Teilzeitarbeiter ist und Kevin Schade, der nach seinem Wechsel zum FC Brentford noch auf sein erstes Tor wartet.
Überraschend kommt zudem die Nominierung von Emre Can, der vor der WM durchs Rüttelsieb gerauscht war, durch seine guten Leistungen bei Borussia Dortmund aber wieder ein ernsthafter Kandidat für die Heim-EM 2024 ist, wie Flick andeutete. Der 58-Jährige will vor allem das Portfolio auf den Problempositionen vergrößern.
Vagnoman, 22, lobte er als „modernen Rechtsverteidiger“ – auf genau jener Position ist auch Wolf, 27, inzwischen heimisch. Berisha, 24, gibt einen klassischen Angreifer, der von Vereinstrainer Enrico Maaßen wärmstens empfohlen wurde. Während Nmecha, 22 und Schade, 21, als Perspektivspieler gelten, kann Can, 29, an guten Tagen einen robusten Sechser geben.
„Es ist unsere Aufgaben, Alternativen zu finden. Wenn wir die Spieler sehen wollen, müssen wir ihnen auch Raum und Zeit geben. Eine Mannschaft lebt von einem stabilen Kern. Aber neue Einflüsse sind auch wichtig“, erklärte der Bundestrainer, der dafür, wie er sagte, auf „etablierte Spieler“ verzichtete.
Gesetzte Kräfte wie Antonio Rüdiger, Niklas Süle oder Leroy Sané bekamen persönlich erklärt, dass sie lieber ihren Akku aufladen sollen, während er Alternativen erprobt. Sané oder Rüdiger (mit deren Konterfei der Ticketverkauf für die Länderspiele beworben wird) müssen sicher keine dauerhafte Verbannung befürchten, aber ein bisschen aufmischen möchte Flick sein Aufgebot schon.
Auf der Torwartposition läuft alles auf Marc-André ter Stegen vom FC Barcelona als vorläufig neue Nummer eins hinaus, dem Flick den Einsatz für beide Testspiele in Aussicht stellte – und damit sicher Kevin Trapp von Eintracht Frankfurt ein wenig verärgern dürfte. Nach einer wohl bis Sommer währenden Experimentierphase geht es ab Herbst daran, ein festes Gerüst in allen Mannschaftsteilen zu zimmern, um beim Heimturnier „gut vorbereitet“ zu sein – mehr wollte Flick da nicht versprechen. Die Wunden aus der Wüste sind noch zu frisch. Generell stehe man „ein bisschen in der Bringschuld“. Immerhin sind für die Peru-Partie in Mainz bereits 22 250 Sitzplatztickets verkauft und nur noch Restplätze verfügbar, in Köln für die Belgien-Begegnung auch schon 32 500 Karten.
Dass in Thomas Müller und Ilkay Gündogan zwei Stützen der Champions-League-Duellanten vom FC Bayern und Manchester City fehlen würden, war bereits kommuniziert, denn neben Jamal Musiala und Kai Havertz soll insbesondere Florian Wirtz in eine zentrale Rolle wachsen. Den für die WM durch seinen Kreuzbandriss ausgefallenen 19-Jährigen sieht Flick in seinem Reifeprozess bereits so weit, dass sich der Offensivallrounder von Bayer Leverkusen nicht mehr bei der U21-EM in Georgien und Rumänien beweisen müsse.
Ansonsten soll die Verzahnung zur wichtigsten Nachwuchself verbessert werden, was am Montag eine gemeinsame Pressekonferenz mit Flick, U21-Coach Antonio di Salvo und dem neuen Sportdirektor Rudi Völler deutlich macht. Dann kommt sicherlich auch das Thema noch einmal auf, welche Binde der als Kapitän anstelle des verletzten Manuel Neuer auserkorene Joshua Kimmich trägt. Tatsächlich eine in schwarz-rot-goldener Optik? Der von den politischen Debatten zermürbte Fußballlehrer Flick will damit nichts mehr zu tun haben.
Die eingeforderte Fannähe soll durch eine öffentliche Trainingseinheit hergestellt werden. Wenn sich der Kader bis Sonntagabend in einem Vier-Sterne-Hotel unweit der Frankfurter Messe versammelt hat, wird die Regenerationseinheit am Montagnachmittag im Stadion am Brentanobad frei zugänglich sein. Für die 5000 Plätze bietende Spielstätte der Fußballerinnen von Eintracht Frankfurt im Stadtteil Rödelheim können sich Interessenten über die Verbandshomepage für ein kostenloses Ticket bewerben.