Hängt die Bundesliga das Unterhaus ab?

Der geplatzte Investorendeal hätte für den deutschen Fußball weitreichende Folgen, wenn die Bundesliga auf die Spaltung drängt
Viele Niederlagen im Fußball hat Axel Hellmann auf dem grünen Rasen irgendwie schon kommen gesehen, aber dieser Nackenschlag am grünen Tisch in einem Hotel am Frankfurter Airport traf auch den Netzwerker unerwartet. Wochenlang hatte der Vorstandssprecher von Eintracht Frankfurt in seinem Interimsjob für die Deutsche Fußball-Liga (DFL) enorm viel Herzblut, Überzeugung und vor allem Arbeitszeit investiert, um den deutschen Profifußball für die Herausforderungen der Zukunft zu wappnen.
Nun verweigerten 16 Klubs die Zustimmung für die ausbaldowerte Finanzspritze aus der Private-Equity-Branche, die für viele Vereine eben doch nicht „alternativlos“ gewesen ist. Die Folgen benannte der 51-Jährige unverblümt: „Das ist eine Niederlage für die Zentralvermarktung.“
Die Fliehkräfte nehmen rasant zu. Niemand soll glauben, dass sich die Bundesliga-Bosse das einfach so gefallen lassen. Spätestens mit der Ausschreibung der Medienrechte ab der Saison 2025/26 in knapp einem Jahr droht der große Knall. Angeblich soll es sogar Geheimpläne geben, wonach sich die erste Liga wieder an den DFB in einer eigenen Gesellschaft andockt – vom Verband hatte sich der Ligaverbund Anfang des Jahrtausends vor allem aus Vermarktungsgründen abgenabelt – und danach vor allem die Erlöse ganz kräftig nach oben geschraubt.
Stets gemeinsam mit der 2. Bundesliga. Nun ist die Beziehung zum Unterhaus in weiten Teilen zerrüttet. Mit Themen wie der Solidarität soll dem verärgerten Liga-Aufsichtsratsvorsitzenden Hans-Joachim Watzke „niemand mehr kommen“. Der Geschäftsführer von Borussia Dortmund hatte sich den Einstieg eines Investors sehr gewünscht.
Nach dem Veto drohte der BVB-Boss offen mit Abnabelung: „Wir haben der Liga die ausgestreckten Arme entgegen gereicht. Wenn das nicht erwünscht ist, werden sich die größeren Klubs darüber Gedanken machen, wie es weitergeht.“ Auch Bayern-Chef Oliver Kahn übermittelte seine Enttäuschung: „Nun besteht die Gefahr, dass der Abstand zu England und Spanien weiter wächst. Und das wäre dann ein Schaden für alle Vereine, die Größeren und die Kleineren.“ Die beiden Titelkandidaten vor dem 34. Spieltag können nicht morgen aus der Zentralvermarktung ausscheren, aber wenn eines Tages doch mal eine Super League kommen sollte, hören sie sich die Offerte vielleicht doch genauer an. Dass mit Hellmann und dem Kollegen Oliver Leki vom SC Freiburg zwei angesehene Funktionäre so angesäuert wirkten, als hätten beide in eine Zitrone gebissen, sprach Bände – beide fürchten auch um den Verlust der Zugpferde, heißt es. Beide Interimsbosse hören nun zum 30. Juni auf.
Wer neuer Bundesliga-CEO wird, ist immer noch offen. Neben Jan-Christian Dreesen (der womöglich aber doch noch beim FC Bayern gebraucht wird) werden Peter Görlich als ehemaliger Geschäftsführer der TSG Hoffenheim und Bernd Reichart vom Sportmarketing-Unternehmen A22 gehandelt.
Ist ein Berater der Super League wirklich geeignet, die DFL zu einen? Aber vielleicht läuft es ohnehin auf eine Zerschlagung der bisherigen Struktur hinaus. Der langjährige Bundesliga-Boss Christian Seifert sagte genau diese Spaltung auf einem Talk am Mittwochabend in einer Frankfurter Kanzlei voraus: „Wenn alle in unterschiedliche Richtungen ziehen, bewegt sich am Ende nichts.“ In der Bundesliga hätten ungefähr zehn Klubs internationale Ambitionen, für den Rest – und das ist bei 36 Vereinen die Mehrheit – sei die internationale Konkurrenzfähigkeit zweitrangig. Vor allem für die Zweitligisten.
Bezeichnend, dass deren Vertreter Rüdiger Fritsch nach dieser historischen DFL-Versammlung gar nichts sagen wollte. Das Vereinsoberhaupt des Bundesliga-Aufsteigers SV Darmstadt 98 sitzt in der AG Zukunftsszenarien. Der Wirtschaftsanwalt weiß, dass man aus Tradition anders sein kann – so ging der frühere Slogan der Lilien – , aber Tradition schießt selbst bei den Südhessen keine Tore.
Und international schon mal gar nicht, wo Klubs in England, Italien und Frankreich längst im Besitz von Firmen, Konsortien oder Staatsfonds aus aller Welt sind. Mit Eigentümern aus Katar, den Emiraten oder Saudi-Arabien. Geldgeber, die von der deutschen Fußballszene reflexartig abgelehnt werden. Viele Zweitliga-Vertreter plagten offenbar moralische Bedenken, ihrer Basis die Notwendigkeit eines Deals zu vermitteln, von dem sie doch wieder nur maximal ein Fünftel abbekommen hätten. Abgezogen jener Anteil, der in den Aufbau einer Online-Streamingplattform für die Auslandsvermarktung geflossen wäre.
Und wenn die restlichen 120, 130 Millionen Euro durch 18 Klubs und auf fünf Jahre gestreckt werden, hätte sich jeder leicht ausrechnen können, was in Kiel oder Karlsruhe, Rostock oder künftig Elversberg angekommen wäre. Nicht genug, um diesem Projekt zuzustimmen. Dafür sind die Interessen gegenüber Bayern und Dortmund, auch Frankfurt und Freiburg halt viel zu unterschiedlich. In der Konsequenz könnte das allerdings auch bedeuten, dass man sich vielleicht schon in naher Zukunft selbst vermarkten muss.