Deutsche Probleme

Es gibt Gründe, weshalb der deutsche Fußballnachwuchs hinterherhinkt - sie sind erkannt, aber noch längst nicht gebannt. Der Kommentar.
Eigentlich hat Deutschland ideale Voraussetzungen, um sehr vielen Kindern das Fußballspielen näher zu bringen. Jede Stadt hat zahlreiche kleine Vereine, in denen vier- bis 19-Jährige in den unterschiedlichsten Klassen kicken. Die Infrastruktur sucht auf der Welt ihresgleichen. Trotzdem werden auch in diesen Vereinen kleine Kinder abgewiesen, weil es an Trainern oder Plätzen mangelt. Und viele Vereine stecken das spärlich vorhandene Geld lieber in Spielerprämien der ersten Mannschaft, als ihren Trainern eine ordentliche Ausbildung oder eine Vergütung zu zahlen.
Das ist ein erstes von vielen zahlreichen Problemen, warum es derzeit im deutschen Fußball nicht genügend junge Spieler gibt, die den Sprung zu den Profis schaffen und auch genügend Qualität für die Nationalmannschaft mitbringen. U21-Nationaltrainer Stefan Kuntz sagte kürzlich, dass er nicht mit Joachim Löw über die Abstellung des einen oder anderen sprechen müsse. Es gibt schlichtweg niemanden, der für das A-Team infrage kommt.
Die Probleme wurden beim DFB zumindest erkannt. DFB-Direktor Oliver Bierhoff hat beim vergangenen Bundestag selbstkritisch alle Punkte auf den Tisch gebracht: Die Spieler sind taktisch gut geschult, doch sie agieren zu wenig individuell und kreativ. Es gibt zu viele ähnliche Trainertypen. Junge Spieler werden mehr an Ergebnissen als an ihrer persönlichen Entwicklung gemessen.
Bierhoff schlägt neue Wettbewerbsformen vom Amateur- bis in den Profibereich vor, allerdings keine U23-Liga der Profiteams, wie das in England oder in Belgien der Fall ist. Eine solche Spielklasse hätte jedoch einige Vorteile: Sie würde den Ergebnisdruck nehmen, weil es keinen Auf- und Abstieg gäbe. Wenn ein junger Spieler nicht sofort einschlüge, könnte man seine Entwicklung über einen längeren Zeitraum beobachten, statt ihn auszusortieren. Denn: Entscheidend ist, dass Talente Spielzeit bekommen und sich fußballerisch entfalten können. In England, Spanien, Belgien, den Niederlanden und Frankreich sind junge Spieler, die mit 16, 17 oder 18 Jahren regelmäßig bei den Profis dabei sind, die Regel. In Deutschland braucht es das Übertalent eines Kai Havertz, um im Profiteam mitspielen zu dürfen. Stattdessen werden deutschen Nachwuchsleuten hierzulande die besser ausgebildeten Talente aus dem Ausland vorgesetzt.
Bierhoff rechnet damit, dass es fünf bis 15 Jahre dauern könnte, bis Deutschland wieder in der absoluten Spitze mitmischt. Die Voraussetzungen dazu sind allemal gegeben. Es braucht aber den Willen, die Kultur, die richtige Ausbildung und sehr viel Geduld.