Baerbock und Faeser schalten sich im Rechtepoker um Frauen-WM ein – „Drohgebärden“ von Infantino
Rund elf Wochen vor der Frauen-WM droht FIFA-Chef Gianni Infantino mit einem TV-Blackout. Baerbock und Faeser kritisieren nicht geklärte Rechte-Vergabe.
Update vom 4. April, 15.15 Uhr: Rund um die Diskussion über die nicht geklärte Vergabe der TV-Rechte für die Frauenfußball-WM im Juli und August dieses Jahres schalten sich mit Nancy Faeser und Annalena Baerbock nun auch zwei Politikerinnen ein. Während Faeser vor allem die Aussagen von FIFA-Präsident Gianni Infantino kritisiert, nimmt Baerbock auch die deutschen Sendeanstalten in die Pflicht. DFB-Präsident Bernd Neuendorf warnt vor einem drohenden „Rückschritt in Deutschland und weltweit“.
Faeser verurteilt „Drohgebärden der FIFA“
Die SPD-Politikerin Nancy Faeser, die als Bundesinnenministerin für den Sport zuständig ist, forderte am 4. Mai gegenüber der Bild „eine schnelle Einigung“ über die TV-Rechte der Frauenfußball-WM 2023. Mit Blick auf die von FIFA-Präsident Gianni Infantino vorgebrachte Drohung, notfalls einen „Blackout“ in Kauf zu nehmen, äußerte sich Faeser kritisch. „Die Drohgebärden der FIFA helfen niemanden“, schiebt sie die Schuld am momentanen Zustand klar dem Weltverband zu. Die WM sei „ein Fußballfest für alle“, bei dem „Millionen Deutsche“ mit dem DFB-Team mitfiebern wollen würden.
Schon tags zuvor meldete sich Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zu Wort. Sie richtete ihren Appell jedoch nicht nur an die FIFA. „Das Eine ist die FIFA, an die wir eindringlich appellieren können, das Andere sind die öffentlich-rechtlichen Sender“, sagte sie beim WM-Kick-Off im Auswärtigen Amt in Berlin. Auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf appellierte auf der Veranstaltung an die Vernunft aller Beteiligten und warnte vor einem „Rückschritt in Deutschland und weltweit“, sollte keine Einigung zwischen den Sendern und der FIFA zustande kommen.

Rechtepoker um Frauen-WM eskaliert: Infantino droht offen mit TV-Blackout
Erstmeldung vom 3. April: Frankfurt/Main – Am 24. Juli 2023 um 10:30 Uhr wird die DFB-Elf ihr erstes Gruppenspiel bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland bestreiten. Ob deutsche Fußballfans die Spiele der Nationalmannschaft überhaupt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu Gesicht bekommen, ist rund zweieinhalb Monate vor dem Großereignis noch unklar. Das Problem: FIFA-Präsident Gianni Infantino fordert von den europäischen Fernsehsendern mehr Geld für die Übertragungsrechte.
Gianni Infantino | |
---|---|
Geboren: | 23. März 1970 (Alter 53 Jahre), Brig-Glis, Schweiz |
Aktuelle Position: | FIFA-Präsident (seit 2016) |
Vorherige Station: | UEFA-Generalsekretär 2009-2016 |
Gianni Infantino sauer über Rechtehandel bei Frauen-WM: Blackout möglich
Zu „diesen geringen Preisen“ werde der Weltverband die Rechte für die Frauen-WM in diesem Sommer „einfach nicht verkaufen, sodass die Europäer die WM nicht schauen können“, ätzte der FIFA-Boss in Richtung der europäischen Fernsehsender. Die Angebote der fünf großen europäischen Länder inklusive Deutschland seien laut Infantino 20- bis 100-mal niedriger als für die Rechte bei der Fußball-WM der Männer.
Bei einer Podiumsdiskussion in Genf sprach Infantino Klartext: „Um es ganz klar zu sagen: Es ist unsere moralische und rechtliche Verpflichtung, die Frauen-WM nicht unter Wert zu verkaufen.“ Der FIFA-Boss wertete die Angebote für die Rechte als „sehr enttäuschend“ und „einfach nicht akzeptabel“. In Zeiten von Gleichberechtigung und Equal Pay im Fußball machte er deutlich, dass die Angebote „ein Schlag ins Gesicht all der großartigen Spielerinnen und aller Frauen weltweit“ seien.

Öffentlich-rechtlicher Sender ARD verwundert: „marktgerechtes Angebot“
Im Poker um die Rechte bei der kommenden Weltmeisterschaft im Juli und August kann der Sender ARD die Strategie des Weltverbandes nicht nachvollziehen. ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky äußerte in der Tageszeitung FAZ, dass die ARD natürlich ein großes Interesse habe, die WM in diesem Jahr zu übertragen. Dafür haben sowohl die ARD als auch das ZDF der FIFA „ein marktgerechtes Angebot platziert“.
FIFA-Chef Infantino kann sich mit diesem Angebot zurzeit wohl nicht arrangieren. Die deutschen Sender sind dabei nicht die einzigen, die mit dem Weltverband um die Rechte kämpfen. Laut FIFA sind die Rechte auch auf dem britischen, italienischen und spanischen Markt noch nicht vergeben. „Nur zur Kenntnis nehmen“ kann Axel Balkausky die aktuelle Situation. Trotzdem machte er klar: „Allzu lange können wir nicht mehr warten.“ Vor allem die große räumliche Entfernung zu den beiden Gastgebern sorge für eine notwendige Vorbereitung des Senders.
Bundestrainerin Voss-Tecklenburg appelliert an Streitparteien
Martina Voss-Tecklenburg, Bundestrainerin der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, zeigte sich Ende April bei einem Termin auf dem Campus des Deutschen Fußball-Bundes in Frankfurt/Main optimistisch. „Ich weiß, dass man sich einigen wird. Ich bin ein sehr positiv denkender Mensch“, sagte die 55-Jährige. Ein TV-Blackout hält die Bundestrainerin für eher unwahrscheinlich: „Ich appelliere an den gesunden Menschenverstand – es gibt doch gar keine Alternative zu einer Einigung.“
Voss-Tecklenburg führte die DFB-Elf im vergangenen Sommer sensationell auf Platz zwei bei der Europameisterschaft in England. Eine gigantische Höhe erreichte auch die TV-Quote: Das Finale gegen England brachte der ARD eine Einschaltquote von durchschnittlich 17,9 Millionen Menschen – und damit den Titel der meistgesehenen Sportsendung 2022. Wegen der ungünstigen Anstoßzeiten der deutschen Auswahl werden in diesem Jahr deutlich geringere Quoten erwartet. Wenn überhaupt eine Einigung zwischen FIFA und den Öffentlich-Rechtlichen zustande kommt. (sid/likr/sch)