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„Spielt zwei Sekunden in der Zukunft“: Fußball-Experte schwärmt von DFB-Talent Wirtz

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Von: Jan Christian Müller

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Kann alles am Ball und noch viel mehr: Florian Wirtz (rechts). Foto: dpa
Kann alles am Ball und noch viel mehr: Florian Wirtz (rechts). Foto: dpa © Federico Gambarini/dpa

Warum der Abiturient Florian Wirtz aus Pulheim auch nach überstandenem Kreuzbandriss die größte Hoffnung im deutschen Fußball ist.

Frankfurt – Manuel Baum hat sich am Sonntagabend gar nicht wieder eingekriegt, als er sein Füllhorn an Lob über Florian Wirtz ausschüttete. Fußballlehrer Baum, früher Chefcoach in Augsburg und bei Schalke 04, arbeitet seit geraumer Zeit als Experte für Pay-TV-Sender Sky. Eine Szene beim 2:1-Sieg von Bayer Leverkusen gegen Bayern München hatte es ihm besonders angetan.

Wirtz bekam bei einem Konter der Werkself den Ball im Mittelfeld zugespielt; hohes Tempo, kurze Entscheidungswege. Von hinten drängte Joshua Kimmich, vor ihm harrten die Abwehrschrankwände Dayot Upamecano und Matthijs de Ligt. Insgesamt sechs Bayern-Spieler schauten allesamt bang auf Wirtz, der den Ball nur zweimal berührte und prompt einen Pass auf Amine Adli spielte. Einen Pass durch drei Leute hindurch, mit dem niemand gerechnet hatte. Adli wurde in der Folge von Benjamin Pavard gefoult. Strafstoß. Ausgleich.

Sky-Experte Baum adelt DFB-Talent Wirtz

Experte Baum sagt über die besondere Gabe der Vororientierung des 19-Jährigen in komplexen Spielsituationen: „Flo Wirtz spielt zwei Sekunden in der Zukunft.“ Der Fachmann analysiert den außergewöhnlichen, perfekt perforierten Schnittstellenpass gegen die Bayern so: „Pavard hat die Phantasie gar nicht, dass Wirtz diesen Pass spielen kann. Denn der Raum ist unfassbar klein. So ein Pass ist fast nicht möglich. Die ganze Körpersprache von Wirtz deutet nicht darauf hin, dass dieser Pass dort durchkommt.“

Tatsächlich hat der Teenager nach seiner zehnmonatigen Zwangspause nach einem Kreuzbandriss die Statik des Spiels von Bayer Leverkusen komplett verändert. Verbessert natürlich. Das soll der unverbrauchte Bursche fortan auch für Deutschland hinkriegen. Zunächst beim Test am Samstag in Mainz (20.45 Uhr) gegen Peru. Seit zwei Monaten spielt er nun wieder regelmäßig für Bayer Leverkusen, Bundestrainer Hansi Flick zeigte sich schon schwer beeindruckt. Wirtz gehe noch mutiger in die Eins-zu-Eins-Duelle, traue sich noch mehr Dribblings zu als vor dessen schlimmer Verletzung.

DFB-Star Wirtz dementiert Wechsel-Gerüchte nach Barcelona

Am Dienstag hat der Deutsche Fußball-Bund den kleinen Rumtreiber zur Pressekonferenz neben die jeweils zehn Jahre älteren Matthias Ginter und Emre Can platziert. Wirtz sieht frisch geduscht auf dem Podium noch jünger aus als zarte 19, fast zerbrechlich. Aber das täuscht natürlich. Er ist der kleinste Spieler im Kader, der Jüngste und vielleicht auch noch der Schüchternste, aber er weiß sich zu wehren. Zuvor im Training auf dem bestens präparierten Platz im neuen DFB-Campus hat er mit seinen kurzen Hebeln, seiner überragenden Technik und seinem Gefühl für Raum und Zeit Räume geöffnet, die vorher verschlossen schienen.

Da fühlte sich einer auf dem Rasen offenkundig wohler als später im Medienzentrum vor drei Dutzend Leuten, die drängende Fragen haben. Etwa jene, ob es stimme, dass sein Vater schon mit dem FC Barcelona in Kontakt stehe, wiewohl der Filius den Vertrag in Leverkusen doch gerade erst während seiner Verletzung bis 2027 verlängert hat. „Nein“, sagt Flo Wirtz, „ich habe so was von meinem Vater nicht gehört. Ich hab´s nur gelesen und mich gewundert.“

Florian Wirtz ist Deutschlands Hoffnungsträger für die Heim-EM 2024

Der in Pulheim, zwischen Köln und Leverkusen, geborene Offensivspieler, der vom siebten bis 16. Lebensjahr beim 1. FC Köln spielte, gilt als heimatverbunden. Dass die Medien in ihm ein „Jahrhunderttalent“ ausgemacht haben, nimmt er ebenso entspannt zur Kenntnis wie die Sachlage, dass er mit Blick auf 2024 als Hoffnungsträger dafür gilt, dass die EM im eigenen Land nicht ähnlich ernüchternd verläuft wie die WM 2018, EM 2021 und WM 2022. „Also“, sagt er, „Druck verspüre ich nicht. Ich lass das gar nicht so an mich ran.“ Die deutschen WM-Spiele hat er allesamt im Fernsehen geschaut. Es wäre noch zu früh gewesen, mit nach Katar zu düsen.

Auf dem Foto, dass Bayer vergangenen Sommer zur Vertragsverlängerung veröffentlichte, sieht man Rudi Völler stolz Arm in Arm mit dem Hochbegabten. Inzwischen ist derselbe Völler DFB-Sportdirektor und hat zur Begrüßung eine flammende Rede an die Spieler gehalten. Flo Wirtz hat aufmerksam zugehört und referiert: „Der Rudi hat gesagt, dass wir uns auf die EM im nächsten Jahr freuen können.“ Er findet es „schön, dass Rudi hier ist. Er ist immer sehr ehrlich. Aber er ist nicht mein persönlicher Begleiter. Und die Aufstellung macht natürlich der Trainer.“

Wirtz winkt gegen Peru Startelf-Debüt in der Nationalmannschaft

Vier Länderspiele für Deutschlands A-Team hat Wirtz bisher bestritten, jeweils als Einwechselspieler, das erste mit 17. Nebenbei baute er sein Abitur. Am Samstag gegen Peru dürfte er zur Startelf gehören. Er sagt bescheiden: „Ich muss mich anstrengen, um hier gut mitspielen zu können.“ Das mag sein. Richtig ist aber auch, dass man ihm die Anstrengung kaum ansieht. Es wirkt alles so leicht und filigran.

Florian Wirtz hat jetzt keine Schmerzen mehr in seinem lädierten Knie. „Das Knie ist wieder zu hundert Prozent fit.“ Er selbst noch nicht ganz, findet er, „aber ich mag es zu arbeiten.“ Das hat er in der Reha fleißig getan. Gemeinsam mit Kai Havertz, einst ebenfalls in Leverkusen zum Profi erwachsen, und Jamal Musiala ist Florian Wirtz das größte Versprechen des deutschen Fußballs auf die Zukunft. Tatsächlich ist er schon ein Versprechen in der Gegenwart. Am besten mal bei Manuel Baum nachfragen.

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