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Fifa-Boss Gianni Infantino: Der Skrupellose

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Von: Thomas Kilchenstein

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Gute Freunde: Katars Premier Khaldi al-Thani (links) und Gianni Infantino.
Gute Freunde: Katars Premier Khaldi al-Thani (links) und Gianni Infantino. © AFP

Fifa-Boss Gianni Infantino und Katar spüren beim Kongress plötzlich Rückenwind. Immerhin der strittige WM-Plan scheint vom Tisch zu sein.

Vor einigen Jahren hat ein Fotojournalist Franck Ribery gebeten, nach dem Gewinn der Meisterschaft die Schale für ein hübsches - gestelltes - Bild doch nochmal hochzureißen und irre Freude auf dem Rasen zu signalisieren. „Jubel“, rief der Fotograf dem Bayern-Spieler zu. Ribery tat wie ihm geheißen, er hob die Schale und rief „Jubeeel, Jubeeel“, zweimal sogar.

Jetzt, in Doha, hat der Fifa-Präsident Gianni Infantino vor Volunteers eine Dankesrede gehalten und die Menschen zum Schluss aufgefordert, dreimal „Katar“ zu rufen. „One, two, three ... Katar, Katar, Katar“, die Resonanz blieb bescheiden, dann versuchte es der 52-Jährige nochmal mit „Fifa, Fifa, Fifa“, mit ähnlich dürftigem Ergebnis. Aber einem Gianni Infantino ist ja nichts zu peinlich.

Wer gedacht hatte, nach Sepp Blatter, dem langjährigen und undurchsichtigen Strippenzieher, könnte es nicht noch tiefer gehen beim Fußball-Weltverband, muss sich Naivität vorwerfen lassen. Infantino, aus dem Schweizer Wallis stammend, hat seit 2016 seinen Vorgänger längst überflügelt, er hat dem an Skandalen ohnehin nicht armen Verband weitere beschert. Der Machtinstinkt des Schweizers mit italienischen Wurzeln hilft: Kaum im Amt rasierte er die Ethikkommission, die Vorgänger Blatter nach 17 Jahren wegen Untreue und Bestechung aus dem Amt gejagt hatte. Der Jurist mit der markanten Glatze kennt kaum Skrupel, pflegt eine klebrige Nähe zu Potentaten aller Coleur, findet nichts dabei, freundschaftlichen Umgang mit Diktatoren und sinisteren Zeitgenossen zu haben, natürlich ist er dick mit Kriegstreiber Wladimir Putin, dem er allen Ernstes, 2018 bei der WM in Russland, zugerufen hatte, „zusammen werden wir der Welt zeigen, zu was wir fähig sind“. Dass beim aktuellen Fifa-Kongress in Doha noch der russische Verband mit einer mehrköpfigen Delegation vor Ort sein durfte, sagt alles. Ein Vertreter der Ukraine ist nicht da, ein Video aus dem geschundenen Land wird eingespielt.

Vor der üblichen Schweigeminute bat Infantino die Delegierten im Konferenzzentrum der Hauptstadt des WM-Gastgebers 2022, „an die zu denken, die ihr Leben in der Pandemie und in den militärischen Konflikten auf der ganzen Welt verloren haben“, er rief zu „Frieden und Dialog“ auf. Die Suspendierung des russischen Verbandes blieb allerdings aus, es gab keine Abstimmung über einen Ausschluss Russlands.

Mehr Spiele, mehr Geld

Weltfremd ist zudem, wer erwartet hätte, Infantino würde ein kritisches Wort zum hochumstrittenen WM-Gastgeber Katar finden, im Gegenteil. „Es wird die beste WM der Geschichte werden“, rief er freudig erregt und überreichte „meinem Bruder“ Khalid al-Thani ein Trikot mit der Nummer 22. Kein Wort zu den Menschenrechtsverletzungen im Wüstenstaat, kein Wort zu Ausbeutung und Unterdrückung, keines zu den toten Bauarbeitern, die ihre Leben beim Bau der Stadien lassen mussten. Infantino, sagte ein Vertreter der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, sei nichts anderes als „ein Propagandaschau-Sprecher der katarischen Regierung“. Seit einiger Zeit hat der sechs Sprachen sprechende Infantino, darunter arabisch, auch seinen Zweitwohnsitz nach Doha verlegt.

Kritik am Gastgeber äußerten dann andere: „Die Fifa muss als Vorbild agieren“, forderte die norwegische Verbandschefin Lise Klaveness am Podium und sprach die Missstände in Katar klar an, solche Meinungsäußerungen sind sehr selten. Die WM 2022, deren Gruppen am Freitag (18 Uhr) ausgelost werden, sei unter „inakzeptablen Umständen und mit inakzeptablen Konsequenzen“ vergeben worden, sagte Klaveness.

Infantino, der die Kritik stumm und mit starrem Blick zur Kenntnis nahm, wird sich im nächsten Jahr zur Wiederwahl stellen, sagte er, der als Selbstdarsteller bekannt ist, als einer, der die rücksichtslose Kommerzialisierung des Fußballs mit allen Mitteln durchdrücken will und gegen den in der Schweiz strafrechtlich ermittelt wird. Er denke, sagt Human Rights Watch, „mehr Geld ist immer gut“. Denn darum geht es der Infantino-Fifa: um mehr Spiele, mehr Vermarktung, mehr Macht, mehr Geld. Die WM 2026 etwa wird auf 48 Mannschaften aufgebläht.

Immerhin scheint sich sein neuestes Projekt, die WM alle zwei Jahre auszurichten, nicht zu realisieren. Auf dem Kongress ruderte er zurück: „Ich möchte klarstellen: Die Fifa hat keine WM alle zwei Jahre vorgeschlagen.“ Man werde versuchen, „etwas zu finden, das allen am besten passt.“ Die Idee hatte er auch so begründet: „Damit Afrikaner nicht mehr übers Mittelmeer kommen müssen, um vielleicht ein besseres Leben zu finden, aber wahrscheinlicher den Tod auf See finden.“ Einfach geschmacklos. mit sid/dpa

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