Fieser Endspielgegner

Der FC Schalke 04 muss ausgerechnet in der entscheidenden Partie bei den formstarken Bullen aus Leipzig ran.
Wer sich das Klassement der Fußball-Bundesliga zu Gemüte führt und noch dazu die Paarungen des letzten Spieltags studiert, muss schon ein grenzenloser Optimist sein, um dem FC Schalke 04 gute Chancen auf die Rettung einzuräumen. Königsblau liegt auf Rang 17, 31 Zähler, und hat auch noch das mit Abstand schwerste Spiel aller Abstiegskandidaten vor der Brust: S04 muss am Samstag auswärts ran, beim Champions-League-Teilnehmer RB Leipzig. Das ist eine verdammt knifflige Aufgabe, beim gezüchteten Topklub hängen die Trauben hoch.
Aber es hilft ja nichts, jammern und lamentieren bringt nix, die Situation ist, wie sie ist. „Wir fahren dahin und gewinnen“, tönt Stürmer Sebastian Polter also schon mal vorsorglich. Und Rodrigo Zalazar pflichtet bei: „Es ist Fußball und nur ein Spiel. Warum sollten wir nicht in Leipzig gewinnen können?“ Ja, warum denn eigentlich nicht?
Bei Licht betrachtet gibt es dann doch noch so ein, zwei Fallstricke. Da ist zum einen der Gegner: RB befindet sich in rauschender Form, acht der letzten neun Spiele hat das Team von Trainer Marco Rose gewonnen, die letzten fünf mal eben am Stück. Nicht zu vergessen der Husarenritt vom vergangenen Samstag, als die Sachsen die Bayern mit dem 3:1-Erfolg in eine tiefe Sinnkrise stürzten und den Münchnern einen ganz herben Dämpfer im Titelkampf bescherten. Die Königsklasse ist den Bullen damit nicht mehr zu nehmen, ist fast ein bisschen untergegangen im medialen Trommelfeuer rund um den Vielleicht-mal-nicht-Meister. Für Schalke könnte es demnach leichtere Rivalen geben am letzten Spieltag.
Und da ist auch noch die Auswärtsbilanz der Gelsenkirchener, die zwar deutlich besser geworden ist unter Trainer Thomas Reis (wie eigentlich alles), aber immer noch weit weg von gut ist. Nur zwei Siege in der Fremde haben sie einfahren können. Das ist nicht die Welt. Aber okay, am letzten Spieltag ist ja vieles anders, da können allerlei Merkwürdigkeiten zustande kommen.
Die Gang aus dem Ruhrpott gibt sich kämpferisch. „Wir haben bewiesen, dass wir mit dem Druck umgehen können“, sagt Flügelstürmer Marius Bülter, der beste Torschütze im Revier und auch am Samstag in Leipzig wieder dabei, nachdem er am zurückliegenden Wochenende gegen Eintracht Frankfurt (2:2) noch gesperrt zuschauen musste. Das ist gut für Schalke. Bülter, der Spätstarter, ist ein wichtiger Faktor für die Mannschaft.
Um sich Mut zu machen für die nahe Zukunft, bemüht Sportvorstand Peter Knäbel den Blick in die Vergangenheit. Die sah ja nicht so doll aus, nach dem Aufstieg war die schöne Aufbruchstimmung quasi schon mit der Verpflichtung des neuen Trainers Frank Kramer dahingerafft worden. Der Mann war nicht wohlgelitten bei den Fans, und als er das dann irgendwann auch bei der Vereinsführung nicht mehr war und er entlassen wurde, Mitte Oktober war das, hatte Schalke sechs Punkte auf dem Konto. „Keiner hätte doch da einen Pfifferling auf uns gesetzt“, sagt Knäbel. Das stimmt, und wäre es so weitergegangen, wäre Schalke jetzt gar nicht mehr im Rennen, sondern schon abgeschlagen abgestiegen. Thomas Reis aber hat den Kahn wieder flottgemacht. In der Rückrundentabelle liegt S04 auf Rang zehn, mit 22 Punkten – sechs mehr als Europa-League-Sieger Eintracht Frankfurt geholt hat.
Genau deshalb werden die Königsblauen jetzt auch nichts verändern, nichts Verrücktes oder Populistisches machen, nicht in Aktionismus verfallen. Also sich nicht abschirmen oder ein paar Tage irgendwo Quartier beziehen, um sich einzuschwören. „Ein Trainingslager bringt doch jetzt gar nichts“, findet Angreifer Bülter. Sportchef Knäbel findet eher: „Es ist wahnsinnig wichtig, dass wir bei uns bleiben. Wir können besondere Energien freisetzen.“
Blöderweise ist auf Schalke gerade jetzt mal wieder eine kleine Torwartdiskussion im Gange, weil Ralf Fährmann zuletzt verletzt war und Vertreter Alexander Schwolow gegen Frankfurt entscheidend patzte. Dabei ist gerade im Abstiegskampf ein starker Schlussmann Gold wert und nicht selten die halbe Miete. Daher hoffen sie auf Schalke, dass Fährmann seine Adduktorenprobleme endgültig im Griff hat und in den Kasten zurückkehren kann. Auf dem Trainingsplatz stand der Routinier diese Woche jedenfalls.
Schalke wird alles rausfeuern, was es drin hat im Tank, das ist klar, unterstützt wird das Team von mehr als zehntausend frenetischen Fans. Und vielleicht ist es ja ein Vorteil, dass es für RB im Grunde um nichts mehr geht und die Leipziger das Saisonhighlight im Hinterkopf haben, das große Pokalfinale gegen die Eintracht in Berlin am 3. Juni.
Dass die Sachsen aber halblang machen und die Handbremse ein wenig anziehen, kann sich Marius Bülter freilich beim besten Willen nicht vorstellen: „Für sie geht es darum, für das Finale im Rhythmus zu bleiben und sich vernünftig von den Fans zu verabschieden“, sagt er. „Ich habe nicht die Hoffnung, dass sie ein paar Prozent weniger geben werden.“ Müssen sie es wohl alleine regeln, die tapferen Schalker. Sonst geht es nach einem Jahr wieder runter ins Unterhaus.