1. Startseite
  2. Sport
  3. Fußball

1. FC Nürnberg und der mutige Herr Hecking

Erstellt:

Von: Thomas Kilchenstein

Kommentare

Wollte eigentlich kein Trainer mehr sein: Dieter Hecking.
Wollte eigentlich kein Trainer mehr sein: Dieter Hecking. © dpa

Der 1. FC Nürnberg steht in Liga zwei am Abgrund - den Klassenerhalt will einer packen, der an diesem Übel zumindest einen Teilschuld trägt: Dieter Hecking. Ein Kommentar.

Dieter Hecking, Ex-Polizeimeister, Ex-Trainer, fünffacher Vater, ist in seiner Zeit im Fußball-Zirkus eher nicht durch übertriebene Harakiri-Maßnahmen aufgefallen, und dass er jetzt beim 1. FC Nürnberg (fast) alles auf eine Karte setzt, ist ein bis dato weitgehend unbekannter Wesenszug. Der Mann gilt als Inbegriff des Soliden, Gewissenhaften, Aufrechten, vielleicht mit einer Prise Langweile unterfüttert. Undenkbar, dass der 58-Jährige, rotgesichtig und wütend, „verweichlichtes Pack“ im Kabinentrakt brüllen würde, allenfalls bricht er mal ein Interview ab. Ansonsten leitet Vernunft sein Handeln.

Dass er jetzt freilich, wie die Club-Spitze raunt, „All in“ geht, dass er nach dem Rauswurf des zweiten Trainers in der laufenden Saison selbst die Sache in die Hand nimmt, ist einerseits überraschend, andererseits zu loben. Er hat damit seine Lebensplanung über den Haufen geworfen, die vorsah, niemals mehr ein Traineramt zu übernehmen. Auch nicht beim Club, wo er seit zweieinhalb Jahren als Sportvorstand agiert, solide bestenfalls, eher grau und mittelmäßig.

Es gehört eine ordentliche Portion Mut dazu, in der aktuellen Nürnberger Krise in die Bütt zu steigen und die Kohlen selbst aus dem Feuer holen zu wollen. Die Gefahr des Scheiterns spielt ja immer mit, momentan halten ganze zwei Punkte die Franken vom ersten Abstiegsplatz fern. Die Not ist groß nach einer 0:5-Demontage in Heidenheim, Hecking sieht „das Auto auf die Wand zu rasen“. Da übernimmt er lieber selbst das Steuer als einen dritten externen Coach zu verpflichten. Für die eigene Job-Garantie ist das sicher nicht der leichtere Weg.

Alles auf eine Karte

Aber Hecking will den anderen Weg gehen, den vermutlich schwereren. Das ist mehr als ehrbar, es nötigt einem Respekt ab, dass da einer Verantwortung übernimmt und aktiv wird. Andererseits: Zur Wahrheit gehört ebenfalls, dass es maßgeblich Dieter Hecking als sportlich Verantwortlicher war, der diesen jetzt so schwächelnden Kader zusammengestellt hat und der kein Hehl daraus gemacht hat, dass er die Mannschaft für besser hält, als sie es zuletzt unter den vergangenen Trainern Robert Klauß und Markus Weinzierl gezeigt hat. Und er besitzt das Selbstvertrauen, dieses bislang verborgen gebliebene Potenzial der Mannschaft sichtbar zu machen. Gemeinsam mit dem zum Co beförderten U23-Trainer Cristian Fiel will er dem Team frischen Atem einhauchen.

Und natürlich allen Kritikern beweisen, dass die von ihm an den Valznerweiher geholten Spieler nicht so schlecht sind. Er kann damit einiges gerade rücken, vor allem seine Fußball-Kompetenz untermauern: Bekommt der Club - künftig mit einer offensiveren Ausrichtung, wie von Hecking angekündigt - die Kurve, hätte der Nun-wieder-Coach gezeigt, dass seine Arbeit als Kaderplaner dann doch nicht so daneben war.

Ins Risiko geht Dieter Hecking dennoch: Denn natürlich ist keinesfalls gewiss, dass der 1. FCN, immerhin noch im Pokal-Viertelfinale vertreten, tatsächlich den Abstieg vermeidet, es wäre übrigens der zehnte in der Klub-Historie. Und Hecking wäre dann gleich zwei Jobs los, die des Trainers und des Sportvorstands. Der Einsatz ist also hoch. Dass da einer - mutmaßliche - Fehler und Fehleinschätzungen korrigieren will, ist allemal bemerkenswert und kann nicht anders als zutiefst respektabel und nachahmenswert gelobt werden.

Auch interessant

Kommentare