FC Bayern: Großes Spiel, große Sprüche

Die Münchner berauschen sich nach dem Sieg gegen Paris Saint-Germain an sich selbst - und wähnen sich in dieser Form bereits unschlagbar
Das Treiben in der Arena in Fröttmaning war noch lange nicht vorbei, als der Zeiger in der Nacht zum Donnerstag bereits weit nach Mitternacht zeigte. In den oberen Etagen wollte Hasan Salihamidzic mit seinen Vorstandskollegen „natürlich ein Glas Wein trinken“, und auch weiter unten, in den Katakomben, hatte es kein Protagonist des FC Bayern eilig, nach Hause zu kommen. „Frühestens um vier“, sagte Thomas Müller nach dem Einzug ins Viertelfinale der Champions League, „werden meine Augenklappen zufallen“. Der Adrenalinspiegel war hoch nach diesem 2:0 gegen Paris St.-Germain – und wollte auch nur langsam sinken. Zu groß war dieser Abend, zu wuchtig das Zeichen an die Konkurrenz.
Das Fazit des Achtelfinal-Duells, das der Rekordmeister nach einer taktisch reifen Leistung nach Hin- und Rückspiel mit 3:0 gewann, hatte Herbert Hainer schon kurz nach Abpfiff gezogen. „Ich sehe keinen, der stärker ist als wir“, posaunte der Präsident da in die Welt – und bekam im Anschluss Recht. Von manchen, wie Leon Goretzka, offensiv: „Wenn wir so spielen wie heute, würde ich die Aussage unterschreiben.“ Von anderen, wie Thomas Müller, etwas vorsichtiger: „Dass wir das Finale ganz klar anpeilen, ist logisch.“ Trainer Julian Nagelsmann wiederum nannte sein Team einfach „unfassbar gut“. Der 35-Jährige, viel gelobt für seine Taktik, schob hinterher: „Wenn wir die maximale Gier und Emotionalität mit der Qualität, die wir haben, paaren, können wir alles erreichen.“ Heißt: das Finale am 10. Juni in Istanbul.
Wie beim Hansi damals
Die Sehnsucht nach dem Titel ist groß, und sie war in dieser Nacht, die Spieler wie Fans „einfach nur genießen“ konnten (Müller), nicht kleiner geworden – im Gegenteil. Wer acht von bisher acht Partien der Königsklasse gewinnt und dabei siebenmal ohne Gegentor bleibt, wer die Milliarden-Truppe aus Paris und ihre Ausnahmekönner Lionel Messi und Kylian Mbappe vollkommen souverän ausschaltet, darf groß träumen. Zumal das 2:0 in der Neuauflage des Endspiels von 2020 nicht aus einem Geniestreich von Einzelkönnern resultierte, sondern aus einer vor allem in der zweiten Halbzeit überragenden Teamleistung. Eric Maxim Choupo-Moting (61.) und der eingewechselten Serge Gnabry (89.) standen als Torschützen in der Statistik, das Sonderlob aus allen Richtungen aber erreichte jeden. „De Ligt, Stanisic, Jo (Kimmich), Leon (Goretzka), King (Coman)“ – als Hasan Salihamidzic anfing, die Schlüsselspieler aufzuzählen, fand er kein Ende. Und Torhüter Yann Sommer sagte verzückt: „Von hinten zuzuschauen, wie wir fast alles wegverteidigen, das war schon hervorragend.“
Wenig bis gar nichts erinnerte am Mittwoch mehr an die Bayern, die sich zum Start ins Fußballjahr selbst verloren hatten. Die Tatsache, dass sich „alle gegenseitig unterstützen“, erinnert Goretzka sogar „an die Zeit unter Hansi damals“. Der heutige Bundes- und damalige Tripletrainer Flick überzeugte sich auf der VIP-Tribüne selbst von der Klasse, mit der die Bayern in Europa Angst und Schrecken verbreiten. Müller stellte treffend fest: „Ich wüsste keinen, der juhu schreit, wenn er auf den FC Bayern trifft.“ Nicht die sicher qualifizierten Benfica, Milan und Chelsea. Und nicht mal Real, Inter oder Neapel, die wohl folgen.
Dass man „eine exzellente Mannschaft“ habe (Hainer), war bekannt. Neu aber sind die taktische Flexibilität, die Nagelsmann sich auf die Fahnen schreiben kann, sowie der Spirit, der dem Team lange fehlte. „Wir haben uns auf ein Ziel geeinigt – und alle sind bereit, für dieses Ziel alles zu tun“, sagte Goretzka. Dieses Gefühl will man „auf die ganze Saison transportieren“, denn noch ist nichts gewonnen. „Ein Loblied bringt uns nichts“, sagte daher Müller. Vielmehr gelte: „The Show must go on.“ Einmal ausschlafen – weiter geht’s. Der Titelschwur ist geleistet, und womöglich wird dieser Abend voll Adrenalin in der Rückschau der Knackpunkt sein.