FC Bayern: Die Telefonzelle Julian Nagelsmann

Der Bayern-Trainer Julian Nagelsmann begegnet ungewohntem Druck vor dem Champions-League-Spiel gegen Villarreal mit gewohnter Lässigkeit.
Dass es sich bei Bayern-Trainer Julian Nagelsmann um einen formidablen Kommunikator handelt, kann wohl niemand ernsthaft bestreiten. Im Vorgriff auf das nicht ganz unwichtige Rückspiel des Viertelfinals in der Champions League gegen den FC Villarreal, in das der FC Ruhmreich mit dem Ballast eines 0:1 aus dem ernüchternden Hinspiel geht, hat Nagelsmann diesen feingliedrigen Satz formuliert: „Unter Druck entstehen Diamanten, vielleicht entsteht ja auch ein glänzendes Spiel von unserer Seite.“
Das ist schön gesagt, und wenn seine Bayern endlich mal wieder sogar schön spielen, dann wird es was gegen die eher ungenießbaren Spanier, die bewusst unsteten Rhythmus mit starker Technik, ausgereifter Taktik und viel Körperlichkeit mischen. Die Bayern haben das vergangenen Mittwoch unangenehm zu spüren bekommen und sollten darauf nun umso besser vorbereitet sein.
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Weil Nagelsmann nicht nur ein klasse Kommunikator ist, sondern vor allem mit seinen ja immer noch erst 34 Jahren auch ein tip-top Fußballlehrer, und weil er ja auch eine gute Mannschaft mit bedeutenden Wiedergenesenen beisammen hat, stehen die Chancen gar nicht mal so schlecht, dass im Rückspiel in der eigenen Arena noch alles gut wird gegen Villarreal. Bei Nagelsmann ging es im Grunde immer nur bergauf, Ein Ausscheiden mit Hoffenheim und Leipzig in Europa war sozusagen eingepreist. Das ist es bei den Bayern natürlich nicht. Ergo spürt auch der lässige Nagelsmann sicher Druck. Aber dafür hat er ja das Bild mit den Diamanten parat. Rhetorisch ist der Druck damit pariert, jetzt muss es nur noch im echten Fußballleben klappen.
Immer ein netter Spruch von Nagelsmann
In Hoffenheim schwärmen sie bis heute, wie es „der Julian“ geschafft hat, den ganzen Verein mitzunehmen. Wie freundlich und verbindlich er im Umgang mit den allermeisten Mitarbeitenden war, für jede und jeden ein nettes Wort oder einen lockeren Spruch übrig hatte oder breit lächelnd ein festes Schulterklopfen, wie er so den Laden zusammenhielt, als er noch nicht mal 30 war. Und vor allem: Wie viel er den Spielern beigebracht hat. Weil er vom Fach ist, auch ohne hochklassig gespielt zu haben (wahrscheinlich gerade deshalb) und weil er die sprachliche Gewandtheit mitbringt, die niemand einem beibringen kann, die aber wichtig ist, um Menschen mitzunehmen.
Nagelsmann hat mit natürlicher Autorität nicht nur junge Hüpfer in Hoffenheim und Leipzig für sich gewonnen. Sondern sich auch in der komplexeren Situation mit vielen gestandenen Profis, Alphatieren und Weltstars Respekt verschafft. Den größten Respekt aber bekommt ein Trainer mit Siegen in großen Spielen. In Spielen wie gegen Villarreal.
Dino Toppmöller konnte Julian Nagelsmann nicht ersetzen
Und es ist sicher alles andere als Zufall, dass der FC Bayern just dann eine krachende 0:5-Pokalniederlage bei Borussia Mönchengladbach kassierte, als der vor Saisonbeginn für die deutsche Rekordtrainerablöse von bis zu (erfolgsabhängigen) 25 Millionen Euro in seiner bayerische Heimat gewechselte Nagelsmann sich auf dem Krankenlager befand. Sowohl in der Vorbereitung als auch am Spieltag fehlte er seinerzeit in Isolation wegen einer Covid-19-Erkrankung. Die Leerstelle konnte Assistent Dino Toppmöller natürlich nicht füllen. Was weniger gegen den Sohn der Stürmer- und Trainerlegende Klaus Toppmöller spricht als vielmehr für Nagelsmann.
Zurück zum Thema Kommunikation. Selbst ein Julian Nagelsmann stößt dabei an Grenzen, man glaubt es kaum. Bei der Pressekonferenz am Montag sagte er: „Wenn ich noch mehr rede, werde ich zu einer Telefonzelle.“ In Sachen Wortwitz machen ihm nicht viele etwas vor, die Stimmung kann das allseits heben. Letztes Beispiel für heute: „Jetzt waren die Spieler zwei Tage an einer Leine. Keine Langlaufleine, sondern eine sehr kurze. Zum Spiel muss ich diese silberne Schnalle noch aufmachen und dann müssen sie laufen.“ Grüne Wiese ist ja genug da.