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FC Bayern: Der schlaue Julian Nagelsmann

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Von: Jan Christian Müller

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Hat sich prächtig eingelebt beim FC Bayern: Trainer Julian Nagelsmann.
Hat sich prächtig eingelebt beim FC Bayern: Trainer Julian Nagelsmann. © AFP

Es stimmt, dass Julian Nagelsmann die im nationalen Vergleich besten Individualisten beisammen hat. Ebenso gilt: Die Bayern haben auch den besten Trainer. Ein Kommentar.

Die meisten der teuer wie nie abgelösten Bundesligatrainer haben bislang nicht so performt wie erwartet: Adi Hütter nicht in Mönchengladbach, Jesse Marsch nicht in Leipzig, Oliver Glasner nicht in Frankfurt. Marco Rose kann zufrieden sein mit dem, was er mit Borussia Dortmund bisher angestellt hat. Über allem aber bewegt sich Julian Nagelsmann mit dem FC Bayern.

Es stimmt natürlich, dass der immer noch erst 34-Jährige die im nationalen Vergleich besten und teuer bezahltesten Individualisten beisammen hat. Aber man darf hochachtungsvoll einräumen, ohne dabei übereilig Vorschusslorbeeren zu verteilen: Die Bayern haben auch den besten Trainer. Nagelsmann hat es auch bei seiner dritten Profitrainerstation nach Hoffenheim und Leipzig kraft seiner natürlichen Alphatier-Autorität, fabelhafter Rhetorik und profunden Fachkenntnis geschafft, seine Spieler zu Höchstleistungen anzustiften.

Dass diese Moderation in einem bis zur Nummer 16 dicht gedrängten Luxuskader wie dem von Bayern München keine Einfachheit ist, haben vor Nagelsmann schon ein paar Berufskollegen unsanft zu spüren bekommen: Niko Kovac und Jürgen Klinsmann schafften es seinerzeit beide nicht, die Führungsspieler zu überzeugen und die Ersatzleute bei Laune zu halten. Mit der Folge, dass das Scheitern ihrer Mission früh zu erkennen war.

Nagelsmann orientiert sich in Spielstil und Personalauswahl an Vorgänger Hansi Flick. Er rotiert eher selten, reagiert aber umgehend mit Auswechslungen von hochbelasteten Stammkräften, wenn Spielstände das zulassen (wie in Leverkusen mit Goretzka, Lewandowski und Müller), er lehrt - wie schon in Leipzig - eine kluge Mischung aus Ballbesitzfußball und Pressing. Und - anders als Flick, der seinen erwünschten Abschied aus München durch eine Auseinandersetzung mit Hasan Salihamidzic vorantrieb - hat Nagelsmann offenbar eine gescheite Arbeitsatmosphäre mit dem Sportvorstand gefunden. Das ist klug. Denn Nagelsmann möchte ja - anders als Flick, der den Streit mit Salihamidzic fast zelebrierte - viele Jahre Bayern-Trainer bleiben.

Bisher ist jedenfalls jeder Cent der Rekordablöse von bis zu 25 Millionen Euro für das längst vom Toptalent deutscher Trainer zum international hoch angesehenen Fußballlehrer gereiften Bayern-Coach gut investiertes Geld. Nagelsmann hat eine Chance beim Schopf gepackt, die trotz seiner relativen Jugend nicht zu früh kam. Wenn er jetzt noch lernt, bei Bagatellentscheidungen gegen seine Mannschaft die Contenance zu bewahren und nicht gebieterisch in Tonalität und Gestik Respektlosigkeit gegenüber Referees zu übermitteln, wäre das ein nächster Schritt einer Entwicklungsstufe. Mit den Jahren dürften dann auch die Farb- und Designauswahl seiner Trainer-Outfits reifen. Denn ein Trainer sollte seinen Spielern nicht zu oft Anlass geben, sich über ihn lustig zu machen. (Jan Christian Müller)

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