„Es sollte so sein“

Ausgerechnet am Weltkrebstag macht der genesene Stürmer Sebastien Haller sein erstes Tor für Borussia Dortmund.
Ja, das war der Moment. Man sah ihn kommen, ganz deutlich. Von der linken Seite flog der Ball vor das Tor des SC Freiburg, wo sich jede Menge Menschen versammelt hatten. Aber ein Mensch schien ganz alleine. Als hätte sich ein Energiefeld um ihn herum aufgespannt, das es niemandem ermöglichte, in seine Nähe zu kommen. Also sprang Sebastien Haller einsam in die Höhe und köpfte den Ball ins Freiburger Tor, und daraufhin drehte sich das Energiefeld um, sodass es die Menschen nun schreiend ansaugte, und der einsame Mann wurde zum Mittelpunkt kollektiver Entrückung.
Kein außergewöhnliches Tor, aber ein besonderes – alles ja Frage der Perspektive, wie immer im Leben und natürlich auch im Fußball. Der Stürmer Haller hat da am Samstag in der 51. Spielminute das 3:1 geköpft für Borussia Dortmund, eine für seine Klasse einfache Sache in einem Spiel, das die Dortmunder so oder so gewinnen würden, gegen um einen Mann dezimierte und auch sonst beschränkte Freiburger.
Doch es war nun einmal auch der erste Treffer des Franzosen, seit er im Sommer von Ajax Amsterdam nach Dortmund gewechselt war und sogleich eine schreckliche Diagnose ausgehändigt bekam: Hodenkrebs. Der 28-jährige hat sich dann durchgekämpft durch den Alptraum eines Krebspatienten, wenngleich eines privilegierten. Sieben Monate nach der Diagnose hat er als gesunder Sportler diesen großen Moment erleben dürfen vor 80 000 Zuschauenden, die das Stadion beben ließen, nur für ihn. „So mancher wird verstanden haben, dass nicht jeder so viel Glück hat“, schrieb der Dortmunder Journalist und Dokumentarfilmer Freddie Röckenhaus in der „Süddeutschen Zeitung“.
Aber manchmal verdichtet sich der Zufall eben zu einer runden Geschichte, der man sich schwerlich entziehen kann. Oder möchte. Der Mittelkreis im Dortmunder Stadion war am Samstag schon vor dem Anpfiff um eine symbolische Schwellung ergänzt worden, dem Datum angemessen: 4. Februar, Weltkrebstag.
„Es war der beste Tag, um mein erstes Tor zu schießen. Es sollte so sein“, sagte der Ex-Frankfurter Haller: „Man schwebt auf einer Wolke. Als ich das Tor geschossen habe, war nicht nur das Stadion, sondern waren auch meine Teamkollegen on fire. Das gibt einen großen Schub.“
Streich beruhigt sich nicht
Eher zur Nebensache geriet im Rummel um Haller die Wichtigkeit des Dortmunder Sieges gegen einen Tabellennachbarn. Nach dem 0:6 in Wolfsburg gerieten die Freiburger auch im zweiten Auswärtsspiel des Jahres unter die Räder, weil ihnen von Beginn an die Ballsicherheit fehlte, um dem Dortmunder Druck zu entkommen. Bald fehlte ihnen zudem ein Spieler: Der junge Franzose Kiliann Sildilla erhielt nach zwei Vergehen am rasend schnellen BVB-Angreifer Karim Adeyemi (stellte mit 36,7 km/h einen neuen Temporekord in der Bundesliga-Geschichte auf) von Schiedsrichter Robert Hartmann in der 16. Minute Gelb-Rot.
Darüber regte der Freiburger Trainer Christian Streich sich auf, er sollte sich im Verlauf des Nachmittags auch nicht mehr abregen. Gut zehn Minuten vor dem Spielende gab Hartmann auch Streich Gelb-Rot. „Es gibt wieder einen Pfiff gegen uns, dann bin ich weggelaufen und habe mich sehr geärgert“, erläuterte Streich später: „Ich habe gesagt, er soll sich ein gelbes Hemd anziehen.“ Der vierte Offizielle habe „das gehört, das war ihm dann zu viel.“ Es sei „meine Dummheit gewesen“, gab Streich zu: „Ich ärgere mich maßlos über mich selbst, vielleicht sogar ein bisschen mehr als über die Unverhältnismäßigkeit, wie heute dieses Spiel geleitet wurde.“
Ein passender Kommentar an einem Nachmittag, der Vieles relativ erscheinen ließ.