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„Es gibt nichts zu jammern“

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Von: Manuel Bonke

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Und wieder die Schale gewonnen: FCB-Nimmersatt Thomas Müller.
Und wieder die Schale gewonnen: FCB-Nimmersatt Thomas Müller. © IMAGO/Ulrich Hufnagel

Thomas Müller über die Belastungen eines Nationalspielers, komplexe Trainingseinheiten unter Julian Nagelsmann und das Haifischbecken FC Bayern München.

Herr Müller, gefällt Ihnen die Rolle des Ur-Bayern?

Ich komme aus Bayern, ich liebe Bayern, ich verkörpere hier beim FC Bayern mit Sicherheit am meisten diesen bayerischen Typen, weil ich mit den Traditionen aufgewachsen bin. Aber ich stehe trotzdem nicht zu Hause vor dem Spiegel und sage mir: „Mei, bin ich ein toller Ur-Bayer.“ Ich fühle mich wohl hier und bin stolz auf meine bayrischen Wurzeln, aber vor allem liebe ich die bayerische Lebenskultur. Nach getaner Arbeit im Biergarten zu sitzen und es sich unter den Kastanien gut gehen zu lassen, ist ein Traum.

Gab es je in Ihrer Karriere den Moment, in dem Sie ernsthaft darüber nachgedacht haben, den FC Bayern zu verlassen?

Dreimal. Ralf Rangnick wollte mich, als Jürgen Klinsmann in München Trainer war, nach Hoffenheim holen. Zu dem Zeitpunkt im Winter der Saison 2008/09 war ich bei den Bayern Amateuren und hätte in Hoffenheim dauerhaft in der Bundesliga spielen können. Das war damals relativ knapp. Rückblickend betrachtet hat sich Hermann Gerland damals glücklicherweise mit aller Macht dagegen gestemmt und den Transfer verhindert. Als Louis van Gaal bei Manchester United war, war diese Option für mich auch interessant. Mit meinen Gedanken war ich auf der Spur, dass ich es mir vorstellen konnte, wieder unter meinem „Entdecker“ zu spielen. Aber da war ich nicht wirklich nah an einem Wechsel, weil der FC Bayern dem Ganzen eine klare Absage erteilt hat – trotz dieses Wahnsinnsangebots von United. Das war ein riesiger Vertrauensbeweis seitens des FCB.

Und dann 2019 unter dem damaligen Bayern-Coach Niko Kovac!

Genau. Da ich in dieser Phase die Spielzeit, die ich gerne gehabt hätte, eben nicht bekommen habe, habe ich das Gespräch mit dem Verein gesucht, um Eventualitäten abzuklopfen. Mir war natürlich bewusst, dass man einen Vertrag nicht mit dem Passus unterschreibt: „Nur bei guter Laune zu erfüllen.“

Der FC Bayern ist zum zehnten Mal in Serie Meister. Verstehen Sie, dass nun die Spannungsdiskussion wieder aufkommt?

Ich bin gerne jemand, der versucht, Themen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Die wirklichen Fans sind ja selten Fans der Liga, sondern Anhänger eines Vereins. Und dementsprechend ist es wahrscheinlich einem Köln- oder Freiburg-Fan dieses Jahr sekundär, ob der Meisterschaftskampf an der Tabellenspitze spannend ist. Ich glaube, wenn man diese Fans fragt, ist die aktuelle Spielzeit eine überragende Saison gewesen.

Bayerns Vorstandsboss Oliver Kahn wünscht sich mehr Spannung, um die Liga sowohl für Fans, Topstars als auch aus Vermarktungssicht wieder attraktiver zu machen.

Aus Sicht der DFL, wenn es um das Produkt Bundesliga geht, oder für die breite Öffentlichkeit wäre es sicher wünschenswert, wenn man zwei, drei Klubs hätte, die sich jährlich einen erbitterten Kampf um die Spitze liefern. Unser Job ist es nicht, für Spannung zu sorgen – im Gegenteil.

Zur Person

Thomas Müller (32) hat seinen Vertrag beim FC Bayern kürzlich vorzeitig bis 2024 verlängert. Der Ur-Bayer spielt bereits seit seinem zehnten Lebensjahr für den Münchner Vorzeigeverein und durchlief sämtliche Juniorenmannschaften, ehe er im Jahr 2008 den Durchbruch bei den Profis schaffte. Mit elf Meisterschaften im Bayern-Dress ist Müller der erfolgreichste Spieler in der Geschichte des deutschen Fußballs. FR

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Konkurrenz in jüngster Vergangenheit nie da war, wenn ihr mal geschwächelt habt.

Objektiv betrachtet lautet die Frage doch: Ab wann ist ein Konkurrent stark? Wie viele Punkte muss ein Tabellenzweiter holen, damit er gut war? Ich habe mir auch mal die Tabellen der vergangenen Jahre angeschaut. Wir haben eigentlich immer roundabout 80 Punkte geholt.

Was wäre Ihr Lösungsansatz, um die Liga wieder spannender zu machen?

Wenn es spannender werden soll, müssen andere Teams in der Lage sein, diese Punktzahl zu erreichen. Sonst wird es mit einem spannenden Meisterschaftskampf nichts werden. Schließlich werden wir Spieler und der FC Bayern daran gemessen, dass wir besser performen als die anderen. Es ist ja sowieso kurios: Wir werden zum zehnten Mal in Folge Meister, man hört immer, das sei langweilig – und gleichzeitig wird in der Öffentlichkeit auch darüber debattiert, dass es beim FC Bayern so nicht weitergehen kann, weil es bei uns ja angeblich so schlecht läuft. Beim FC Bayern war es schon immer so, dass Kritik am Verein den Erfolgshunger gefördert hat. Einlullen und in Sicherheit wiegen wäre für mehr Spannung an der Ligaspitze vielleicht der bessere Ansatz (grinst).

Julian Nagelsmann hat mehr Titel versprochen. Wie haben Sie ihn in seiner ersten Saison als Bayern-Trainer erlebt?

Die Aufgabe als Bayerntrainer ist ein anstrengender, fordernder Job. In der Hinrunde haben wir dominiert, in der Rückrunde müssen wir zugeben, dass wir hinter unseren Erwartungen geblieben sind, auch aufgrund der Ergebnisse. Somit hat Julian gleich in seinem ersten Jahr auf und neben dem Platz eine große Bandbreite des Haifischbeckens FC Bayern erlebt und kann seine Schlüsse daraus ziehen. Ich glaube, wir werden von diesen Erfahrungen profitieren.

Es heißt, das Nagelsmann-Training sei sehr anspruchsvoll. Vielleicht zu anspruchsvoll?

Gott sei Dank sind die Einheiten anspruchsvoll. Man entwickelt sich weiter, wenn es neuen Input gibt. Diese Einheiten sind so, dass du mit dem Kopf bei der Sache sein musst. Ich bin richtig froh darüber, dass diese Trainings nicht nur körperlich von intensiver Natur sind, sondern dass man auch das Hirnkastl einschalten muss.

Nach dem letzten Ligaspiel gibt es nur ein paar Tage Pause, danach geht es mit der Nations League weiter. Freuen Sie sich eigentlich auf die anstehenden Länderspiele?

Auf jeden Fall freue ich mich. Die Belastung ist gefühlt wie eh und je. Ich kenne es nicht anders. In meiner Profikarriere habe ich bisher wahrscheinlich immer zwischen 50 und 60 Spiele pro Saison gemacht. Davon, den Kalender allerdings künstlich aufzubauschen und zu erweitern, halte ich nichts. Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass wir sehr gut bezahlte Fußballprofis sind. Da gibt es über die aktuellen und üblichen Belastungen nichts zu jammern.

Interview: Manuel Bonke und Philipp Kessler

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