Ersehnte Rückkehr

Alexandra Popp gibt nach langer Pause bei den deutschen Fußballerinnen ihr Comeback.
Die Scherze unter den deutschen Fußballerinnen können ganz schön gemein sein. Als Kathrin Hendrich am Mittwoch beim Nationalteam ihren 30. Geburtstag feierte, stellten die Mitspielerinnen im Hotel Klosterpforte im ostwestfälischen Harsewinkel tatsächlich eine Krücke vor die Tür. Die Verteidigerin des VfL Wolfsburg hat diese Anspielung auf ihr Alter locker genommen. Glücklicherweise hatte sich die Mannschaft für den zeitgleich zelebrierten 31. Geburtstag von Alexandra Popp etwas anderes einfallen lassen: Es gab einen Schokokuchen, der die für Süßigkeiten durchaus empfängliche Fußballerin sehr erfreute. Eine Gehhilfe vor ihrem Zimmer hätte eher schwarzen Humor bedeutet, denn eine der bekanntesten Spielerinnen Deutschlands bangte bis in dieses Jahr um die Fortsetzung der Karriere. Krücken waren wochenlang ihre Begleiter.
Nachdem sie Anfang April vergangenen Jahres gegen Norwegen ihr 111. Länderspiel machte, zog sie sich Ende April im Bundesligaspiel beim MSV Duisburg eine schwere Knieverletzung zu. Verspätet kam heraus, dass die ehemalige Tierpflegerin einen Knorpelabriss an der Kniescheibe erlitten hatte. Es folgten Rückschläge, Selbstzweifel – und ein nicht bestandener Belastungstest, bei dem für sie eine Welt zusammenbrach, „weil ich dachte, den bestehe ich mit links“.
Kein Boden unter den Füßen
In einer Dokumentation für den NDR-Sportclub – und nun auch in einer digitalen Pressekonferenz – sprach Popp darüber, wie ihr so etwas „den Boden unter Füßen weggezogen“ habe. Nach einer zweiten Operation Anfang des Jahres brachte sie „keine Geduld“ mehr auf: „Da war es bei mir vorbei.“
Wiederholt musste mit Engelszungen auf sie eingeredet werden, nichts zu überstürzen. Die Geduld hat sich gelohnt, auch wenn Popp nach eigener Aussicht noch nicht bei 100 Prozent ist („das ist völlig normal und klar“), hat sie in Bundesliga und Champions League beim VfL Wolfsburg bereits ein vielversprechendes Comeback gefeiert. Nun soll in den WM-Qualifikationsspielen gegen Portugal in Bielefeld (Samstag 16.10 Uhr/ARD) und drei Tage später gegen Serbien in Stara Pazova (Dienstag 16 Uhr/ZDF) das Comeback bei den DFB-Frauen folgen.
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg schätzte die Kapitänin schon, als diese beim FCR Duisburg mit ihrer draufgängerischen Art beeindruckte. Popp hatte sich das Rüstzeug in der Gesamtschule Berger Feld in einer DFB-Eliteschule mit vielen Jungs geholt. Von Beginn an war sie auch durch private Rückschläge im Elternhaus so geprägt, ihre Ellbogen auszufahren und ihre Meinung zu sagen. „Es ist wichtig, dass das jemand ist, der auch mal einer Mitspieler lautstark ins Gesicht sagt, dass es so nicht geht“, findet Hendrich heute.
Voss-Tecklenburg weiß, dass solche Charaktere selten sind. „Es steht außer Frage, dass ‚Poppi‘ außerhalb des Spielfeldes total wichtig ist, aber auf dem Feld mindestens genauso.“ Aktuell kommt noch ein anderer Aspekt dazu: Kein Verein hat eine so bemerkenswerte Entwicklung genommen wie der noch aussichtsreich in drei Wettbewerben vertretene VfL Wolfsburg. Laufwege und Spielzüge, Angriffs- und Abwehrverhalten – alles wirkt so eingespielt, dass sich sogar Nationalspielerinnen wie Laura Freigang (Eintracht Frankfurt) wünschen würden, solche Automatismen und solches Selbstverständnis in die DFB-Auswahl zu übertragen.
Kann die äußerst vielseitige Popp den Transformator mimen? Zumal sie für alle Positionen infrage kommt: Sie hat schon in der Verteidigung, im Mittelfeld und im Angriff gespielt – in ihrem 100. Länderspiel im WM-Achtelfinale 2019 gegen Nigeria (3:0) durchlief sie während der 90 Minuten alle Mannschaftsteile. Wenn es nötig wäre, würde sie sogar ins Tor gehen.
Mit der Westfalenauswahl kam sie beim Länderpokal sogar mal als zweite Torhüterin zum Einsatz: „Könnt ich auch, kein Problem“, scherzte Popp, die darauf von Torwarttrainer Michael Fuchs gerne angesprochen wird. Zwei Europameisterschaften hat die Alleskönnerin verletzungsbedingt verpasst – den Triumph in Schweden unter Silvia Neid, als auch den Reinfall 2017 in den Niederlanden unter Steffi Jones. Was sie für 2021 antreibt, weiß niemand besser als die Bundestrainerin. „Sie möchte eine der prägenden Personen des Turniers werden. Hoffentlich bleibt sie gesund.“ Nach dieser Aussage klopfte Voss-Tecklenburg gleich mehrfach auf die Tischplatte. Bei Popp ist das Thema kein Spaß.