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Bundesliga-Investor: Eine Zahl mit neun Nullen

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Von: Jan Christian Müller

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Der Kampf um den Ball faszniert Millionen: Odilon Kossounou von Bayer Leverkusen gegen Amadou Haidara von RB Leipzig.
Der Kampf um den Ball faszniert Millionen: Odilon Kossounou von Bayer Leverkusen gegen Amadou Haidara von RB Leipzig. © Imago

Der geplante Megadeal der Fußball-Bundesliga mit einem Investor geht auf die Zielgerade - bleibt Axel Hellmann von Eintracht Frankfurt langfristig Boss der Deutschen Fußball-Liga? Wechsel zum FC Bayern wohl ausgeschlossen.

Sechseinhalb Stunden lang hat der Sitzungsmarathon des Präsidiums und Aufsichtsrats der Deutschen Fußball-Liga (DFL) in der Frankfurter Zentrale am Dienstag gedauert. Das Thema ist hochkomplex und hochbrisant, die Meinungsbildung bei allen 36 Klubs der Ersten und Zweiten Fußball-Bundesliga noch nicht abgeschlossen. Nicht alle sind begeistert. Aber im Führungsstab herrscht Einstimmigkeit, dass der Prozess Sinn macht.

Es geht um mehrere Milliarden Euro. Also um eine Zahl mit neun Nullen. Am 24. Mai soll bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung darüber abgestimmt werden, ob tatsächlich losmarschiert wird. Zuvor finden weitere Informationsgespräche statt, um den Bundesligisten nochmals genau zu erklären, was geplant ist und sie von der Dringlichkeit zu überzeugen.

Außerdem, so heißt es in einem aktuellen DFL-Bulletin, sollen diese Gesprächsrunden dazu dienen, „abschließende Anregungen aufzunehmen“. Heißt übersetzt:_ um die Kritik zu hören und ihr zu begegnen. Denn es braucht eine Zwei-Drittel-Mehrheit der 36 Klubs, um die strategische Partnerschaft mit einem Private Equity-Unternehmen umzusetzen. Die „FAZ“ berichtet, „von einem harmonischen Prozess“ könne „keine Rede sein“.

Hans-Joachim Watzke gehört in seiner Funktion als Aufsichtsratschef der Deutschen Fußball-Liga (DFL) gemeinsam mit Eintracht Frankfurts Vorstand und Bundesliga-Interimsboss Axel Hellmann zu den einflussreichsten Befürwortern dafür, dass ein strategischer Partner zwei Milliarden Euro an die deutsche Bundesliga überweist. Im Gegenzug soll dieser Investmentfonds ein Kuchenstück von 12,5 Prozent der Medienrechte des deutschen Lizenzfußballs für die nächsten 20 Jahren übertragen bekommen. Danach geht das Paket zurück an die Bundesliga. Sechs potenzielle Bundesliga-Investoren haben Angebote unterbreitet. Sie sollen zeitnah auf drei Bewerber reduziert werden. Es handelt sich um die global operierende Top-Garde der Private Equity-Branche, die den deutschen Lizenzfußball für ein lohnendes Investment hält.

Mit den Milliarden könnte die Bundesliga sich eine eigene Streamingplattform aufbauen, um ihre von 250 Millionen auf 150 Millionen Euro Einnahmen pro Saison geschrumpften Auslandsrechte aufzupäppeln und später möglicherweise auch hierzulande mit einem eigenen Kanal Bezahl-Fußball anzubieten. Außerdem könnten die Klubs frisches Kapital in ihre Stadien und Leistungszentren stecken, Schulden abbauen oder ihre Kader verstärken.

Der Deal mit einem potenten Zahlmeister soll zur Win-Win-Situation werden. Dann zum Beispiel, wenn - wie im Businessplan veranschlagt - die Einnahmen aus der TV- und Streamingvermarktung national und international sich während der Vertragsdauer um 100 Prozent steigern würden. Momentan kassiert die Bundesliga rund 1,25 Milliarden Euro (1,1 Milliarden national, 150 Millionen international) pro Saison.

12,5 Prozent dieser Rechte sind derzeit je Spieljahr also rund 156 Millionen Euro wert. Das wären, einfach hochgerechnet, über zwei Jahrzehnte hinweg 3,12 Milliarden Euro, die der Investor abzüglich des Einstiegspreises von 2,0 Milliarden Euro selbst dann erlösen könnte, wenn der Markt sich nicht dynamisch entwickeln sollte. Macht einen Gewinn von 1,12 Milliarden Euro binnen 20 Jahren - mit Risiken auf weniger und Chancen auf mehr.

Denn sollten sich die Einnahmen auch dank der Anschubfinanzierung wie geplant verdoppeln, würde die DFL statt 1,25 Milliarden gemeinsam mit dem Investor 2,5 Milliarden Euro pro Saison erlösen und 87,5 Prozent davon behalten können, also knapp 2,2 Milliarden. Der Rest, also gut 300 Millionen Euro, ginge an den Investor.

Dann wären beide Seiten fein raus. Die Liga könnte ein Plus von fast einer Milliarde Euro gegenüber dem Status quo verbuchen; der Investor ein Plus von 144 Millionen. Eine Argumentation der Befürworter des Megadeals ist, dass ohne finanzkräftige Unterstützung eine Abwärtsspirale nicht aufzuhalten sein könnte. Schon beim letzten Mal hatte die DFL beim Verkauf der nationalen TV-Rechte Abstriche machen müssen. „Aki“ Watzke fürchtet, die Bundesliga könnte sich ohne Zukunftsinvestitionen eines nicht allzu fernen Tages „auf einem Niveau mit Portugal und den Niederlanden“ befinden.

Das sind die Mächtigen

Diese Männer wurden bei der Generalversammlung am 17. August 2022 in Dortmund bis 2025 ins DFL-Präsidium gewählt:

Hans-Joachim Watzke (Borussia Dortmund), Oliver Leki (SC Freiburg) Steffen Schneekloth (Holstein Kiel), Jan-Christian Dreesen (FC Bayern München), Axel Hellmann (Eintracht Frankfurt), Oke Göttlich (FC St. Pauli), Holger Schwiewagner (SpVgg Greuther Fürth), Ansgar Schwenken (DFL).

So setzt sich der DFL-Aufsichtsrat zusammen: Watzke, Leki, Christian Keller (1. FC Köln), Rüdiger Fritsch (Darmstadt 98), Stephan Schippers (Borussia Mönchengladbach), Ralf Huschen (SC Paderborn 07).

Nach dem vorzeitigen Ausscheiden der DFL-Geschäftsführerin Donata Hopfen wurden Axel Hellmann und Oliver Leki vom DFL-Aufsichtsrat am 8. Dezember 2022 interimistisch und befristet bis zum 30. Juni 2023 zu gleichberechtigten Co-Geschäftsführern berufen, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten und das Investorenmodell voranzutreiben. jcm

Und er weist darauf hin, dass allein sein Klub Borussia Dortmund in der Pandemie 151 Millionen Euro Einnahmen verloren hat. Die Coronadelle ist noch da - zum Rekordumsatz der ersten Liga von 4,02 Milliarden Euro aus der Saison 2018/19 fehlten den 18 Erstligisten zuletzt noch 200 Millionen Euro. Mit dem Investorenmodell wollen Watzke und Hellmann neue Dynamik entfachen. Weitgehend Einvernehmen herrscht zudem, dass es klüger ist, sich einen Investor ins Haus zu holen statt sich das Geld als Fremdkapital bei Banken zu leihen. Angesichts des derzeitigen Zinsniveaus würde die Bundesliga damit deutlich schlechter fahren. Das beweisen die vorgestellten Rechenmodelle nachdrücklich.

Die Gegner der Investorenlösung - auch aus dem Lager bereits vehement protestierender Fans - argumentieren, ein Investmentfonds könnte Druck auf die Ansetzungen machen und den Spielplan noch mehr zersplittern. Außerdem würde die Geldverteilung gewiss dafür sorgen, dass die Großen noch größer werden und sich die Gräben zwischen Reich und Arm somit vertiefen. Und: Zu viel des frischen Kapitals laufe Gefahr, direkt an Spieler und Berater weitergereicht zu werden.

Watzke teilt diese Besorgnis zunächst nicht, auch, weil erst einmal die 12,5 Prozent Mindereinnahmen aufgrund des Rechteverkaufs mit Teilen des frischen Kapitals bloß ausgeglichen werden. Erst nach fünf Jahren dürfte es erste spürbare Zusatzeinnahmen für jeden Klub geben,

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Umsatzsteigerungen die Vereine nur in kleinem Umfang dazu animiert haben, sich Fett für schlechte Zeiten anzufressen. So erlösten die 18 Klubs der Ersten Bundesliga in der Saison 2005/06 knapp 1,3 Milliarden Euro, inzwischen sind es dreimal so viel - und doch nicht genug, um ausreichend Kapital für Investments in die Zukunft aus eigener Kraft auf die Seite gelegt zu haben,

Holstein Kiels Boss Stefan Schneekloth sagte als Sprecher der zweiten Liga dieser Tage dem „Kicker“: „Wir bezahlen heute die gleiche Qualität an Spielern mit deutlich mehr Geld, nur weil es da ist.“ Auch, dass ein guter Teil der potenziellen frischen Milliarden in Infrastruktur der Klubs gesteckt werden sollen, leuchtet Schneekloth nicht ein. Das müsste jeder Verein schon selber wuppen, ganz so, wie es auch in der Vergangenheit der Fall gewesen sei, um die Lizenzanforderungen zu erfüllen. „Warum sollen wir von diesem Prinzip abrücken?“

Kritiker Andreas Rettig, ehemaliger DFL-Geschäftsführer, fürchtet aus Sicht von Fans, dass durch den Einstieg eines Investors die Kosten für Pay-TV und Streamingdienste weiter steigen werden, nachdem Dazn jüngst ohnehin die Abo-Gebühr bereits verdoppelt hat.

Und noch eine bedeutende Frage drängt auf Klärung. Der Frankfurter Hellmann hat den Prozess nun so weit vorangetrieben, dass alle Karten auf dem Tisch liegen. Sein Vertrag als Interims-Geschäftsführer der DFL endet am 30. Juni. Die Bitte um öffentliche Statements dazu, ob er künftig nicht nur interimistisch die Deutsche Fußball-Liga anführt, sondern hauptamtlich, wird aktuell abschlägig beschieden. Außerdem zeigte der FC Bayern offenbar Interesse, den 51-Jährigen als Nachfolger von Oliver Kahn zu verpflichten. Hellmann wird das nicht machen.

Der ehemalige Wirtschaftsanwalt ist Watzkes Favorit. Hellmann müsste dazu seinen Vertrag bei Eintracht Frankfurt aufkündigen. Sein Co-Interimsgeschäftsführer Oliver Leki vom SC Freiburg hat sich bereits entschieden, dem Werben der DFL nicht zu entsprechen. Er verlängerte stattdessen in bester Verhandlungsposition zu verbesserten Bezügen in Freiburg. Vor Hellmann liegt bei der DFL also viel freies Terrain. Er muss nur noch „ja“ sagen und die Eintracht müsste wohl oder übel zustimmen. Der Klub braucht Planungssicherheit auf diesem zentralen Vorstandsposten. So oder so: Mit Hellmanns Entscheidung ist zeitnah zu rechnen.

Strippenzieher: Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.
Strippenzieher: Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. © Imago
Netzwerker: Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann.
Netzwerker: Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann. © Imago

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