Ein Jahr zum Vergessen

Präsident Keller, Direktor Bierhoff, Bundestrainer Löw: Sie wirken alle gemeinsam überfordet. Das 0:6 in Spanien taugt als Sinnbild für die Gesamtsituation beim Deutschen Fußball-Bund. Ein Kommentar.
Es gibt einen Erfolg zu vermelden im Deutschen Fußball-Bund. Ironie des Schicksals: Der Erfolg steht im Zusammenhang mit dem Adjektiv „negativ“. Es waren nämlich sämtliche Testungen deutscher Fußball-Nationalspieler bei acht Spielen in diesem Herbst: negativ. Das ist zweifellos positiv. Pressesprecher Jens Grittner hat die zugeschalteten Medien am Ende eines merkwürdigen Länderspieljahres und eines demoralisierenden Abends klug darauf hingewiesen. Sein Job ist es schließlich, good news zu verbreiten. Schwierig gerade.
Denn der DFB hat ein Jahr zum Vergessen erlebt. Ein Jahr der bislang fruchtlosen Streitigkeiten in der Führung, garniert mit dem unseligen Besuch der Staatsanwaltschaft; ein Jahr dazu, das die Probleme im Nachwuchs aufzeigte mit einer Wucht, die immerhin von der EM-Qualifikation der U21 am Dienstag etwas gemildert wurde. Ein Jahr, das finanziell glimpflich ausging, weil die Nationalmannschaft sich brav durch die Coronapandemie manövrierte, zu brav am Ende, weshalb die Schmach von Sevilla als eines der hässlichsten Kapitel dieses Jahres in die Historie eingehen wird. Derart brachial bis auf die Knochen wie am 17. November 2020 hat sich eine deutsche Fußball-Nationalmannschaft seit Generationen nicht mehr blamiert.
Das passt ins trübe Bild: Der neue Präsident Fritz Keller, in Spanien auf der verwaisten Tribüne vor Ort, hat es genauso wenig geschafft, für Aufbruchstimmung zu sorgen wie der ewige Bundestrainer mit seinen Umbruchbemühungen. Irgendwie wirken sie gerade alle miteinander überfordert: Keller mit dem ganzen Verband, Löw mit der jungen Mannschaft, Direktor Oliver Bierhoff mit der Krisenrhetorik.
Sie haben es gut gewollt, aber nicht gut gemacht. Das ist jetzt die Situation, das ist der Rucksack, den sie ins neue Jahr tragen, wenn sie es denn überhaupt solange miteinander aushalten. Gerade ist niemand stark genug, um die anderen zu stützen. Eher purzeln sie übereinander und tun sich gegenseitig weh.
Zum Ende des kommenden Jahres soll an der Frankfurter Galopprennbahn die neue Heimat des DFB eröffnet werden. Es soll ein Fest mit Glanz und Gloria werden. Vorher noch die EM, wenn sie denn stattfindet. Immerhin etwas, auf das man hoffen kann im Verband. Irgendwie.