Ein Herz für die Lilien

Die Verpflichtung von Filip Stojilkovic ist Ausdruck des Wandels bei Zweitliga-Tabellenführer SV Darmstadt 98.
Zwei Millionen Euro? Bei der Ablösesumme, die Darmstadt 98 nun dem Vernehmen nach für den Neuzugang Filip Stojilkovic ausgegeben hat, werden natürlich Erinnerungen wach. An Roman Bezjak, den slowenischen Superstürmer, der im Sommer 2016 aus Rijeka ans Böllenfalltor kam, ebenfalls für rund zwei Millionen Euro. Transferrekord für die Darmstädter, bis heute, und Ausdruck der zunehmend verzweifelten Versuche des damaligen Sportdirektors Holger Fach, den Lilien auch im zweiten Jahr Bundesliga einen erstligatauglichen Kader hinzustellen.
Ist dann alles ein wenig schiefgegangen. Kein Trainer konnte mit Bezjak etwas anfangen. Norbert Meier nicht, Ramon Berndroth nicht, Torsten Frings nicht, und im Winter ging er wieder zurück nach Rijeka, und im Sommer stiegen die Darmstädter wieder ab, und Bezjak kam noch einmal zurück, denn er war ja nur verliehen worden, aber besser wurde es auch in der zweiten Liga nicht. Im Februar 2018 verabschiedete Bezjak sich für immer aus Darmstadt.
Inzwischen, 33-jährig, spielt er für USV Wies in der Gebietsliga West, sechste Liga Österreich, die Gegner heißen da Heimschuh, Pölfing-Brunn und St. Stefan, und für Darmstadt 98 ist der Name Roman Bezjak nurmehr eine fiebrige Erinnerung an eine ferne, merkwürdige Zeit, an die zähen und zehrenden Versuche, irgendwie Fuß zu fassen im Profifußball nach dem schwindelerregend schnellen Aufstieg. Ein Stückchen Vereinsgeschichte, wenn man so will.
Filip Stojilkovic muss das alles nicht interessieren. Der Klub, zu dem er gewechselt ist, ist nicht mehr der Klub, zu dem Roman Bezjak einst wechselte. Die Dinge sind gewachsen in all den turbulenten Jahren, Darmstadt 98 hat sich in allen Belangen stetig professionalisiert, neues Stadion, moderne Infrastruktur. Die Mannschaft ist stark genug für den Erstligaaufstieg, und sie droht mitnichten in der nächsten Transferperiode auseinanderzufallen. Waren die zwei Millionen Euro Ablöse bei Bezjak Ausdruck eines gewissen Aktionismus, so sind sie es nun für das Gegenteil: für wohlüberlegte, gut vorbereitete Entscheidungen der Sportlichen Leitung um Sportdirektor Carsten Wehlmann.
Auftakt in Sandhausen
Deshalb ist der Stürmer Stojilkovic vom FC Sion nach Darmstadt gegangen. Er hätte ja auch woanders hingehen können. Juventus Turin zum Beispiel. „Ja, da war was dran“, sagte der 23-jährige in einer Medienrunde am Mittwoch und fügte das Entscheidende an: „Aber halt mit Ausleihen.“ Der Schweizer war schlau genug, den schmeichelnden Schlagzeilen, die ein Wechsel zum italienischen Rekordmeister mit sich bringt, zu widerstehen.
Er hält das für keine gute Idee: Irgendwohin zu gehen und dann direkt weitergereicht zu werden und dann vielleicht wieder zurückzukommen und dann vielleicht wieder ausgeliehen zu werden, und plötzlich spielt man gegen Heimschuh und Pölfing-Brunn, so ist das Fußballerleben.
In Darmstadt hat Stojilkovic einen Vertrag über viereinhalb Jahre unterschrieben. Die Lilien haben sich lange um ihn bemüht, über ein Jahr. „Eine Herzensangelegenheit“ sei dieser Wechsel, sagt er, und man glaubt es ihm.
An diesem Freitag (18.30 Uhr) trägt er sein Herz erstmals für die Darmstädter auf den Platz, Auswärtsspiel in Sandhausen, was zwar ein wenig wie St. Stefan klingt. Aber wer glaubt schon an schlechte Omen.