Ego-Shooter auf der Ersatzbank

Verteidiger João Cancelo wollte zum FC Bayern, um zu spielen - jetzt blüht ihm das Gleiche wie bei Manchester City.
Der Bayern-Tross an diesem traditionell speziellen Abend in Paris war schon mal deutlich größer. Im Jahr 2020 etwa, als die Verleihung unter dem hippen Namen „Fifa - The Best“ virtuell stattfand, war der Rekordmeister mit vier Spielern neben dem FC Liverpool die dominierende Mannschaft der Weltelf, dazu wurden Manuel Neuer zum Welttorhüter und Robert Lewandowski zum Weltfußballer gekürt. Am Montag sah das Ganze etwas ernüchternder aus. Der einzig Ausgezeichnete: ManCity-Leihgabe João Cancelo als Mitglied der Weltelf.
„Ein Traum wird wahr“, ließ der Portugiese aus Paris über die sozialen Netzwerke verbreiten, die Auszeichnung widmete Cancelo seiner vor zehn Jahren verstorbenen Mutter Filomena. Er wirkte sichtlich glücklich in der Reihe der Großen, also etwa neben Virgil van Dijk, Lionel Messi, Kylian Mbappe, Achraf Hakimi und Casemir auf der Bühne. Weit weg von all den Sorgen, die er zuletzt in Manchester hatte – und weit weg von der Rolle als Ergänzungsspieler, in die er in der vergangenen Woche auch beim FC Bayern gerutscht ist.
Schwierige Persönlichkeit
Die Gründe dafür mögen Cancelo nicht schmecken, aber sie liegen auf der Hand. „Wir hätten auch etwas offensiver aufstellen können, aber es ist wichtig, erst mal eine gute Balance zu haben“, sagte Julian Nagelsmann am Rande des 3:0 im Spitzenspiel gegen Union Berlin. Weil Cancelo, zweifellos einer der besten Außenverteidiger der Welt, seine Rolle eher offensiv interpretiert, hatte Josip Stanisic den Vorzug erhalten. Eine Woche zuvor, bei der Niederlage in Gladbach, war Cancelo erst eingewechselt worden, als Dayot Upamecano mit Rot vom Platz gestellt wurde. Für ihn persönlich – nach fulminantem Start mit vier Startelfeinsätzen und zwei Vorlagen – der erste Dämpfer im roten Trikot.
Noch gibt sich der Nationalspieler ruhig. Dass ein unzufriedener João Cancelo dem Klima im Team aber nicht unbedingt guttut, ist aus Manchester hinlänglich bekannt. „Ich muss spielen, um glücklich zu sein“, sagte er selbst erst vor wenigen Tagen in der Zeitung „O Jogo“ – und gab zu, mit Enttäuschungen nicht immer richtig umzugehen. Von einer „schwierigen Persönlichkeit“ sprach er sogar mit Blick auf sich selbst. Auch wenn er bei ManCity „zu keinem Zeitpunkt respektlos gegenüber Kollegen oder gegenüber Trainern“ gewesen sei, stellte er klar: „Jeder Spieler will sich wichtig fühlen, will spielen und jeder, der etwas anderes behauptet, der lügt.“
Egoismus gehört für Cancelo dazu, bei ihm jedoch ging dieser in der Vergangenheit gerne über das gesunde Maß hinaus. Nach München ist er gekommen, um zu spielen – merkt aber jetzt, dass Nagelsmann sein Abwehrpuzzle stets dem Gegner anpasst. Gerade in den großen Spielen ist hinten Stabilität vonnöten, nicht ganz ohne Sorge blickt man daher aktuell auf die Außenpositionen.
Denn auch auf der linken Seite läuft nicht alles ganz reibungslos. Beim starken Bayern-Auftritt gegen Union war Alphonso Davies der einzige Bayer, der leistungsmäßig abfiel. Ungenaue Pässe, unnötige Laufwege – der 22 Jahre alte Flitzer ist im Moment auf der Suche nach dem Spielglück. Kuriose Randnotiz: Als einziger „echter“ Bayer war Davies unter den 26 nominierten Spielern für die Weltelf. Die Bühne allerdings musste er dann Cancelo überlassen.