Dünne Mainzer Kratzspuren

Der Mainer Trainer Bo Svensson erkennt in Felix Magaths Hertha Tugenden seiner eigenen Mannschaft
Felix Magath hat das geschickt gemacht: die nachlässigen Bayern im Interview mit Sky-Reporter Patrick Wasserziehr thematisiert, die sich am Sonntag gegen den VfB Stuttgart gefälligst konzentrieren und gewinnen sollen. Dabei geht es doch viel mehr darum, dass auch Mainz 05 das tut am Samstagabend bei Magaths wiedererstarkter, aber nach wie vor gefährdeter Hertha. Die hat immerhin die letzten drei Spiele allesamt nicht verloren, sondern sogar zweimal gewonnen. Wenn man den Berlinern zugeneigt sein sollte, könnte man das glatt als Serie bezeichnen. Und es steht bei nüchterner Betrachtung nicht zu erwarten, dass diese reißt. Denn Mainz 05 stellt nach Absteiger Fürth das schwächste Auswärtsteam der Liga.
Wenn Bo Svensson an den Kollegen Magath denkt, denkt er auch an sich. So hört es sich zumindest an: „Es ist viel schwerer geworden, gegen die Hertha eine Torchance zu bekommen“, hat der Mainzer Trainer festgestellt, Magath habe seiner Berliner Mannschaft „in kürzester Zeit eine Spielweise beigebracht, die es den Gegnern sehr schwermacht“. Ganz so, wie es damals den Kontrahenten von Mainz 05 ergangen ist, nachdem Svensson zur Jahreswende 2020/21 übernahm.
Ein paar republikweit sichtbare Nachlässigkeiten haben sich seitdem dann und wann bei den Nullfünfern eingeschlichen. Vergangene Woche beim 3:1 gegen die Bayern wurden die eindrucksvoll ausradiert. Und tatsächlich ist es ja eine sehr ordentliche Leistung, dass sich Mainz 05 - anders als die Hertha und der gemeinsam mit der Alten Dame mal wieder um Klassenerhalt bangenden Fahrstuhlmannschaft VfB Stuttgart - so geruhsam nun schon im 13. Jahr in Folge (und im 16. insgesamt) in der Bundesliga aufhält und das auch weiter tun wird. Doch all das schöne Image, das sich die Rheinhessen erarbeitet haben, sollte nach dem 0:5 vor zwei Wochen in Wolfsburg nun nicht durch eine ähnliche Kanterniederlage in Berlin wieder aufs Spiel gesetzt werden. Der Bayern-Sieg, sagt Sportdirektor Martin Schmidt, habe gezeigt, „was wir für ein Team haben, wenn alle an den hundert Prozent kratzen“.
Auswärts sind diese Mainzer Kratzspuren nur ganz, ganz selten zu erkennen gewesen. Zwei Siege, zwei Unentschieden, zwölf Niederlagen - das ist keine zufriedenstellende Bilanz, der freilich eine enorme Heimstärke gegenübersteht: Da sind die Nullfünfer stolzer Dritter hinter den Bayern und Borussia Dortmund. Diese große Lücke will Svensson in der kommenden Saison mit seiner Mannschaft so weit wie möglich schließen. Aber wie weit ist das möglich? Svensson sieht unterschiedliche Gründe in der Auswärtsschwäche,
Wahr ist vor allem: Die Intensität, die Mainz 05 zu dem Team haben werden lassen, das die meisten Fouls in dieser Bundesligasaison verübt hat, lässt sich vor allem mit dem eigenen Publikum im Rücken präsentieren. In der Fremde ist das schwieriger, da lässt sich auch von der Trainerbank mit dem inständig mäkelnden Svensson weniger Druck auf die Referees erzeugen, da werden Grätschen nicht beklatscht, jedenfalls nicht so hörbar laut wie in der eigenen Arena. Immerhin: In die Hauptstadt werden die Mainzer Profis von einem längst ausverkauften Sonderzug und 1300 Fans begleitet. Die stehen aber weit weg.