Dortmunder Mysterium

Borussia Dortmund stolpert in der entscheidenden Phase der Meisterschaft und des DFB-Pokal wieder in eine Schaffenskrise - man reibt sich vewrundert die Augen.
Kann es wirklich an einem Tritt ins Leere und einem „Scheißabend“, wie Trainer Edin Terzic drastisch formulierte, gelegen haben, dass der Ballspielverein Borussia Dortmund in der entscheidenden Phase der Meisterschaft (wieder) in eine Schaffenskrise stolpert? Kann es wirklich so einfach sein? Man mag es beim besten Willen nicht glauben.
Und doch deutet vieles daraufhin, dass dieses so wankelmütige, filigrane Gebilde in schwarz-gelb binnen kurzem all das einreißt, was es sich in den vergangenen Monaten mühevoll aufgebaut haben. Allein die beinahe heroische Aufholjagd auf die zeitweise mit zehn Zählern enteilten Bayern war mehr als aller Ehren wert. Ja, das hatte was von einer gewissen Reife, endlich, so schien es, habe das hochtalentierte Team sein wahres Potenzial abgerufen. Symptomatisch für den neuen Dortmunder Aufschwung standen da zwei Spieler, Emre Can, der Dazwischenfunker und Vorangeher, und Julian Brandt, den ewig Pomadigen, der nach vielen Jahren endlich verstanden zu haben schien, auf was es ankommt. Da war offenbar eine echte Konkurrenz erwachsen für den FC Bayern, Borussia Dortmund - dieses manchmal so aufregend Fußball spielende Konstrukt - wirkte reif für den Titel.
Und jetzt? Tristesse pur am Borsigplatz, Wut, Enttäuschung, Fragezeichen allüberall. Wie konnte das nur passieren? Alle großen Ziele sind verpasst, just zu einem Zeitpunkt, da es spannend wird: Aus gegen den FC Chelsea in der Champions League, hochverdient übrigens, Aus im DFB-Pokal nach wahlweise einer „katastrophalen“ (Sebastian Kehl) oder „Nicht-Leistung“ (Hans-Joachim Watzke) gegen ein RB Leipzig, das schwächelte und nach drei Niederlagen und 0:11 Toren sich selbst suchte. Nun fehlt die Phantasie, wie der BVB die Tuchel-Bayern noch mal abfangen wollen.
Die Versagensangst des BVB
Natürlich ploppt erneut die Frage nach der Mentalität auf, ein Thema, das sie in Dortmund satt haben, aber nie loswerden. In Leipzig registrierten Beobachter überrascht das erste Dortmunder Foul in einem K.o.-Spiel in der 60. Minute. Es mangelte an Wehrhaftigkeit, Galligkeit, Griffigkeit - entscheidenden Tugenden halt. Da kann das Fehlen von Abwehrmann Schlotterbeck oder der Stürmer Haller und Adeyemi allein nicht als Ausrede herhalten.
Aber seriös lässt sich dieser Rückfall kaum erklären. Ist es die Angst der BVB-Spieler, in den entscheidenden Spielen zu versagen, die die Beine lähmt? Kann die Mannschaft mit diesen Drucksituationen nicht vernünftig umgehen? Und warum verfällt das so erfahrene Team regelmäßig in alte Muster des Jahres 2022? Wieso tauchen Führungsspieler (Reus, Hummels, Brandt) ab, wenn es Spitz auf Knopf steht? Es ist ein echtes Mysterium, dieser BVB lässt einen verwundert zurück.