Die Zeit drängt für die DFB-Frauen

Mit der Berufung des vorläufigen Aufgebots beginnt die EM-Mission der deutschen Fußballerinnen. Die Messlatte liegt wieder hoch.
Nach zwei Jahren ohne Zuschauer hat das DFB-Pokalfinale der Frauen am vergangenen Samstag zum echten Familienfest getaugt. Auf den Stadionvorwiesen im Kölner Grüngürtel herrschte bei den vielen Mitmachangeboten ein buntes Treiben. Da fügte sich gut, dass auch der Führungsstab der deutschen Frauen-Nationalmannschaft mit Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, Co-Trainerin Britta Carlson, den Assistenten Thomas Nörenberg und Patrik Grolimund sowie Torwarttrainer Michael Fuchs die Angehörigen dabei hatte. In einer auf eigenen Kosten angemieteten Loge, um nicht nur die nächste Machtdemonstration des VfL Wolfsburg zu erleben, sondern auch mal die Familien zusammenzubringen. Im besten Falle bleibt man demnächst nämlich für fast zwei Monate unter sich.
Oliver Bierhoff verlangt den Einzug ins Halbfinale
Am Dienstag (11 Uhr) wird in der alten DFB-Zentrale das vorläufige Aufgebot mit 28 Spielerinnen für die Frauen-EM 2022 in England (6. bis 31. Juli) verkündet. Die Vorbereitung startet zu Pfingsten mit einem sogenannten Pre-Camp in Frankfurt (5. bis 9. Juni), bei dem die viel belasteten Akteurinnen des VfL Wolfsburg noch fehlen werden. Bestenfalls endet das erste Turnier nach drei Jahren Pause erst mit dem Finale in London. Insgesamt drei Trainingslager werden der wichtigste Baustein für eine erfolgreiche Mission des achtfachen Europameisters Deutschland. Nach Maßgabe von Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff sollen die DFB-Frauen nach dem vermeidbaren Viertelfinalaus bei der EM 2017 und WM 2019 diesmal mindestens bis ins Halbfinale kommen.
Sein Sportlicher Leiter Joti Chatzialexiou weiß zwar, dass „sich andere Nationen extrem weiterentwickelt haben, wir sind aber weiterhin in der Liga, alle Gegner zu schlagen.“ Doch an schlechten Tagen können die deutschen Fußballerinnen wie zuletzt in der WM-Qualifikation auch gegen Außenseiter Serbien (2:3) verlieren. In jener Partie zog sich Dzsenifer Marozsan auch noch einen Kreuzbandriss zu.
Ein Scheitern in der Vorrunde wäre ein schwerer Rückschlag
Wie überhaupt die vergangenen Monate von Verletzungen, Coronafällen und Rücksichtnahme auf die Vereinsbelange gekennzeichnet waren. „Wir hätten uns mehr Klarheit bei den Personal- und Rollenfragen, am besten einen eingespielten Stamm mit 13, 14 Akteuren gewünscht“, sagt Co-Trainerin Carlson. Voss-Tecklenburg muss nun vor allem in den zwei Trainingscamps beim DFB-Ausrüster in Herzogenaurach (12. bis 18 Juni und 21. bis 29. Juni) das große Ganze zusammenführten, um die schwierige Gruppe mit Vize-Europameister Dänemark (8. Juli), Mitfavorit Spanien (12. Juli) und Außenseiter Finnland (16. Juli) zu überstehen. Ein Scheitern in der Vorrunde wäre ein gewaltiger Rückschlag für den deutschen Frauenfußball.
Bis zum EM-Start ist erstaunlicherweise nur ein einziges offizielles Länderspiel angesetzt: am 24. Juni gegen die Schweiz. Also drängt die Zeit, eine Stammelf zu formen. Torhüterin Merle Frohms (Eintracht Frankfurt, bald VfL Wolfsburg), Verteidigerin Kathrin Hendrich (VfL Wolfsburg), im defensiven Mittelfeld Lena Oberdorf (VfL Wolfsburg), im offensiven Mittelfeld Lina Magull (FC Bayern) und Sara Däbritz (FC Bayern) und in vorderer Reihe natürlich die in Topform befindliche Svenja Huth (VfL Wolfsburg), die ihre freien Tage zur Hochzeit mit ihrer Lebensgefährtin nutzen wird, wie die 31-Jährige am Sonntag im NDR-Sportclub verriet, sind als Anker ausgemacht.
Umgang mit Alexandra Popp wird zur Kardinalfrage
Bleibt die Kardinalfrage, wie die Bundestrainerin mit Alexandra Popp umgeht, mit der sie seit Duisburger Zeiten persönlich eng verbunden ist, die fürs DFB-Team wohl als Stürmerin eingeplant ist, aber nicht grundlos beim Pokalfinale wieder eine Stunde auf der Wolfsburger Bank saß. Wer beim Doublesieger nur zweite Wahl ist, kann im DFB-Team trotzdem in der ersten Elf zum EM-Auftakt gegen Dänemark stehen, deutete Voss-Tecklenburg in der ARD an.
Die 31-Jährige werde ein gesondertes Aufbauprogramm bestreiten - und dann stehe außer Frage, „dass ‚Poppi‘ außerhalb des Spielfelds total wichtig ist, aber auf dem Feld mindestens genau. Sie hat schon viele Titel gewonnen, aber noch keine EM.“ Und sie selbst, bekräftigte die 54-Jährige nach dem Pokalfinale in der ARD, glaube an den neunten Triumph Deutschlands, „sonst fahre ich nicht zur EM.“