Die Tränen des Mario Vuskovic

DFB-Sportgericht entscheidet binnen zwei Wochen über eine Sperre. Profi des Hamburger SV beteuert: „Ich habe im Sport niemals betrogen“
Am Ende flossen Tränen. Der des Blutdopings mit Epo verdächtige Mario Vuskovic vergoss sie bei seinem Schlusswort. Auf ein Urteil des Sportgerichts des Deutschen Fußball-Bundes muss der 21-jährige Verteidiger des Fußball-Zweitligisten Hamburger SV weiter warten. Auch nach dem dritten Verhandlungstag sah sich das Gericht nicht unmittelbar in der Lage, Recht zu sprechen. Dazu, begründete Richter Stephan Oberholz nachvollziehbar, sei die Materie eines „anspruchsvollen und anstrengenden Verfahrens, bei dem für alle Beteiligten viel auf dem Spiel steht“ schlicht zu kompliziert. „Wir können hier nicht nur eine Stunde beraten und zu einem gerechtfertigten Urteil kommen.“
Binnen der kommenden zwei Wochen soll eine Entscheidung gefällt werden, sie wird schriftlich zugestellt, ehe im nächsten Zug auch die Öffentlichkeit informiert wird. Der Versuch aller Parteien, in einem mehr als einstündigen Gespräch zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen, misslang. Laut Weltantidopingagentur Wada verlangt Epo-Doping eine Regelsperre von vier Jahren.
Die Anwälte des Kroaten, der bereits seit mehr als vier Monaten vom Trainings- und Spielbetrieb gesperrt ist, fordern Freispruch. Alles andere sei weder moralisch noch juristisch nachvollziehbar. „Hier geschähe großes Unrecht, wenn Sie ihn verurteilen würden“, rief Verteidiger Joachim Rain dem Gericht zu.
Vuskovic selbst ließ schluchzend übersetzen: „Ich bin unschuldig. Ich habe im Sport niemals betrogen und werde das auch niemals tun. Das, was ich und meine Familie in den letzten Monaten durchgemacht haben, würde ich meinem ärgsten Feind nicht wünschen. Jeden Tag hoffe ich, dass dieser Alptraum zu Ende geht.“
Die Verteidigung berief sich vor allem darauf, dass das Beweisverfahren für Epo-Doping nach den Vorschriften der Wada, welche das beauftragte Labor in Kreischa im vergangenen Herbst bei der mutmaßlichen Überführung des Fußballprofis als Blut-Doper angewendet hat, auf ungenügender Bildgebung beruhe: „Wir reden hier über ein Verfahren, bei dem sich Fachleute über unscharfe Bilder beugen und Schlieren interpretieren“, so HSV-Jurist Philipp Winter, es handele sich „um eine willkürliche Bildinterpretation“, Kollege Rain ergänzte: „Man kann sich auf das Wada-System nicht verlassen.“ Zur Not müsse die Staatsanwaltschaft tätig werden, damit ein unabhängiges Labor eine neuerliche Probe analysiert.
Der Kontrollausschussvorsitzende des DFB, Anton Nachreiner, hielt in seinem Plädoyer „den Dopingvorwurf völlig problemlos für nachgewiesen“. Zwei Gutachten und die ursprüngliche Analyse in Kreischa unterstützen diese Ansicht. Insgesamt zehn von der Verteidigung aufgebotene Gutachter sind anderer Meinung.
Eine vom DFB-Sportgericht beantragte C-Probe des derzeit noch tiefgekühlt lagernden Resturins aus der Dopingprobe von Mitte September 2022 wurde von einem beauftragten kanadischen Gutachter abgelehnt, weil die Wada grundsätzlich nur A- und B-Proben zulässt.
Eine derartige Beweisvereitelung kann selbst der Ankläger so nicht akzeptieren. Das dürfe sich der DFB „nicht gefallen lassen“. Grundsätzlich fragt sich Anton Nachreiner, ob einer vierjährige Strafe auch mit Blick auf die Berufsfreiheit verfassungsrechtlich überhaupt akzeptabel sein darf: „Muss man da nicht Strafminderung für einen 21-jährigen Mann gewähren, der einmal einen Fehler gemacht hat und die ihm eine vor ihm liegende, wahrscheinlich erfolgreiche Karriere zunichte macht?“
Der Hamburger SV, für den Sportchef Jonas Boldt vor Ort war, und die Vuskovic-Anwälte formulierten am Freitagabend: „Wir haben Verständnis dafür, dass sich das DFB-Sportgericht in diesem komplexen Verfahren die Zeit nimmt, um die gesamte Beweislage noch einmal umfassend zu würdigen.“ Das selbst der Vertreter der Anklage „die von der Wada herrührenden Vorschriften im vorliegenden Fall nicht für angemessen hält, zeigt aus unserer Sicht, dass auch dort Unbehagen hinsichtlich einer Verurteilung des Spielers auf Basis der geltenden Statuten besteht“.