1. Startseite
  2. Sport
  3. Fußball

Die Hertha torkelt wieder

Erstellt:

Von: Ingo Durstewitz

Kommentare

Beschmiertes Logo: Union-Graffiti auf der Hertha-Fahne im Berliner Westend.
Beschmiertes Logo: Union-Graffiti auf der Hertha-Fahne im Berliner Westend. © imago

Das Stadtduell ist längst ein ungleiches geworden – Union Berlin hat der alten Dame den Rang abgelaufen.

Sandro Schwarz, der blasse Kerl mit der Käppi, kommt gut an in der Hauptstadt. Der 44-Jährige ist ein gänzlich unprätentiöser, uneitler Fußballfachmann, Allüren und Gehabe sind ihm fremd, er ist authentisch, geradeaus, unverstellt. Mit seiner direkten Art hat der frühere Mainzer und in Frankfurt sesshafte Trainer viele Pluspunkte bei der chronisch unruhigen Hertha aus Berlin sammeln können. Ein dufter Typ.

Sein Hauptproblem: Er hat mit seiner Mannschaft zu wenige Siege (nur drei) und Punkte geholt, viel zu wenige. Sein Schnitt ist niederschmetternd, 0,82 Zähler pro Spiel gab es unter seiner Regie, nur Tayfun Korkut (0,69) und Michael Skibbe (0,0) waren noch schlechter. 14 läppische Punkte haben die Herthaner errungen, selbst in der schon einigermaßen desaströsen Vorsaison hatten sie nach der Hinserie sieben mehr auf dem Konto. Das Ende ist bekannt: Relegation und Klassenerhalt gegen den HSV mit zwei dunkelblauen Augen. Und jetzt? Geht es genau so weiter, oder es wird sogar schlimmer.

Schwarz ist angeschlagen

Den Restart haben die Charlottenburger voll in den Sand gesetzt, 1:3 bei den ums sportliche Überleben kämpfenden Bochumern, 0:5-Abreibung zu Hause gegen die Überflieger aus Wolfsburg, fünf der letzten sechs Partien verloren. Macht summa summarum Tabellenplatz 17. Die Tristesse ist zurück rund um die Betonschüssel Olympiastadion, die Lage bedrohlich. Die kopflose Hertha schlingert dem Abstieg entgegen. Wieder einmal.

Und nun, am Samstag (15.30 Uhr), geht es ausgerechnet gegen den Stadtrivalen Union. Die Eisernen haben dem einst so weit überlegenen Nachbarn längst den Rang abgelaufen, die letzten vier Derbys gewonnen und liegen seit sage und schreibe 83 Spieltagen vor der Hertha. Es ist ein fast schon ein unfaires Duell, eines mit ungleichen Waffen. Union hat sich zum Bayern-Jäger aufgeschwungen und die beste Hinrunde der Geschichte gespielt, die einst so stolze alte Dame ist längst kein Gegner auf Augenhöhe mehr, keiner, den man ernstnehmen kann.

Die gesamte Konstellation, findet der angeschlagene Sandro Schwarz aber, könne sogar gut für seine Mannschaft sein. „Das Derby kommt genau richtig. Eine Riesen-Möglichkeit, die Stimmung zu drehen.“ Die wird wieder zusehends schlechter, nachdem zwischenzeitlich gar ein kleiner Ruck durch den Verein gegangen war. Die Abkehr vom Größenwahn, der Abgang des umstrittenen Investors Lars Windhorst sowie die Inthronisierung des fannahen Präsidenten Kay Bernstein hat dem Verein gut getan. Das Klima im notorisch aufgeregten Big-City-Club ist besser geworden. Nutzt halt nur nichts, wenn die sportliche Entwicklung konträr dazu läuft. Denn das, was auf dem Feld passiert, ist der größte (emotionale) Treiber für alles andere.

Auf diesem Sektor hat es selbst der angesehene Fredi Bobic nicht geschafft, den Turnaround einzuleiten. Der frühere Frankfurter Sportvorstand, zu Eintracht-Zeiten gleich zweimal zum Manager des Jahres gewählt, hat zwar in Berlin freie Hand, aber kein glückliches Händchen. Viele Personalentscheidungen verpufften im Nichts, seit seiner Amtsübernahme ist bei der Hertha nichts besser geworden. Immerhin ist Bobic jetzt trainerstabil, nachdem er in der Vorsaison in Pal Dardai und Tayfun Korkut gleich zwei Coaches rauswarf und das Schicksal dann sogar in die Hände des Schleifers Felix Magath legte. Bobic blockt jetzt jede Diskussion über Sandro Schwarz ab: „Er steht nicht einmal ansatzweise zur Diskussion. Wir ziehen voll durch.“ Wahrscheinlich wird das auch so sein, wenn die Hertha gegen Union den Kürzeren zieht.

Schwarz gibt sich kämpferisch, es bleibt ihm ja auch nichts anderes übrig. „Wir dürfen jetzt nicht so in Depression verfallen, dass du nicht mehr die Möglichkeit hast, das nächste Spiel zu gewinnen“, sagt er. Ein bisschen Mut kann vielleicht eine Statistik machen: Zwei von drei Bundesligaheimspielen gegen Union konnte die Hertha gewinnen. Freilich: Nie würde ein Sieg so überraschend kommen wie jetzt.

Auch interessant

Kommentare