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Freiburgs Managerin Birgit Bauer-Schick: „Auch die Ultras fahren mit“

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Von: Frank Hellmann

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Um diesen Pokal geht’s: Dominique Janssen (links) vom VfL Wolfsburg und Hasret Kayikci vom SC Freiburg beim Termin in Köln.
Um diesen Pokal geht’s: Dominique Janssen (links) vom VfL Wolfsburg und Hasret Kayikci vom SC Freiburg beim Termin in Köln. © IMAGO/Horst Galuschka

Die emsige Abteilungsleiterin Birgit Bauer-Schick über die Vorfreude auf ein DFB-Pokalfinale mit den Fußballerinnen des SC Freiburg, die Dominanz des VfL Wolfsburg und den Boom im deutschen Frauenfußball.

Frau Bauer-Schick, Sie sind seit über 30 Jahren im Frauenfußball beim SC Freiburg engagiert. Müssen Sie sich manchmal kneifen, unter welchen Bedingungen alles angefangen hat?

Manchmal denke ich auch, wie die Zeit vergeht. Am Anfang war ich ja eher eine Betreuerin oder Teammanagerin, weil ich noch selbst gespielt habe. Als wir Anfang der 90er Jahre zum SC Freiburg zurückgekommen sind, haben wir auf einem Hartplatz vor dem Dreisamstadion trainiert und teilweise gespielt, auf dem vor den Bundesliga-Heimspielen der Männer die Autos geparkt haben. Danach waren wir sehr lange bei anderen Vereinen zu Gast, weil alles zu klein und zu wenig war. Heute spielen wir gemeinsam mit der U23 im Dreisamstadion, haben dort einen eigenen Trainingsplatz. Wir haben heute überragende Bedingungen mit Kraftraum, Sauna, Besprechungsraum und einer kleinen Halle. In der Schiedsrichterkabine haben wir uns früher mit 20 Frauen umgezogen. Da kann man sich wirklich kneifen, wie das vor mehr als 30 Jahren war.

Bei vielen Frauen-Bundesligisten hat ein Umdenken eingesetzt. Wäre Ihnen das alles auch ohne die EM in England angeboten worden?

Die EM war sicher ein Highlight, das von vielen in unserem Verein wahrgenommen worden ist. Man hat gemerkt, was im Frauenfußball möglich sein kann. Dass wir aber ins Dreisamstadion ziehen, hat damit nichts zu tun – da war der Neubau des Männerstadions der Katalysator. Aber wir hatten gerade im Heimspiel gegen Werder Bremen wieder mehr als 2000, gegen die Bayern 6300 Zuschauer – das hat es früher nicht gegeben. Es geht aufwärts.

Bei jener EM haben Nationalspielerinnen wie Sara Däbritz, Lina Magull, Klara Bühl, Giulia Gwinn oder Merle Frohms geglänzt, die alle durch die Freiburger Fußballschule gegangen sind. Sind Sie dann eher stolz oder wehmütig?

Wenn Bayern oder Wolfsburg Angebote machen, können wir finanziell einfach nicht mithalten

Birgit Bauer-Schick

Ich war ja selber in England, und ich war schon einerseits mega-stolz, aber andererseits auch traurig, wenn es dann hieß, Klara Bühl oder Giulia Gwinn vom FC Bayern hätten überragend gespielt. Wir waren und werden auch wohl langfristig nicht in der Lage sein, die richtig guten Spielerinnen langfristig an uns zu binden. Wenn eine den Schritt machen will, können wir nicht viel tun, obwohl wir eine so gute Infrastruktur haben.

Wenn also der FC Bayern oder VfL Wolfsburg bei den Spielerinnen oder Beratern anrufen, haben Sie keine Chance mehr?

Momentan ist Ruhe. Aber wenn Bayern oder Wolfsburg Angebote machen, können wir finanziell einfach nicht mithalten.

Oft laufen die Verträge der Spielerinnen aus, die dann wie Katharina Naschenweng von der TSG Hoffenheim den Verantwortlichen unter Tränen gestehen, dass sie beispielsweise bereits beim FC Bayern unterschrieben haben. Müssten nicht häufiger auch Ablösen fließen, damit es wenigstens eine Entschädigung für die Ausbildungsvereine gibt?

Dass wir für unsere Spielerinnen immer leer ausgegangen sind, stimmt nicht (lacht). Natürlich ist es immer schade, wenn man als Verein Spielerinnen aus der Jugend oder aus Österreich ausbildet und dann Bayern, Wolfsburg und – eigentlich gehört Eintracht Frankfurt auch schon dazu – kommen. Die TSG Hoffenheim trifft es mit den Abgängen – die nun nach Wolfsburg wechselnde Chantal Hagel kam übrigens aus unserer eigenen Jugend – auf einem etwas höheren Niveau jetzt genauso wie uns.

Sind bei Ihnen eigentlich alle Bundesliga-Fußballerinnen wirklich Profis?

Selbst eine Alexandra Popp kann nicht die restlichen Jahre von ihrem Gehalt leben. 

Birgit Bauer-Schick

Nein. Einige Spielerinnen machen gerne auch noch etwas anderes, damit sie nicht nur den Fußball im Kopf haben. Selbst eine Alexandra Popp kann nicht die restlichen Jahre von ihrem Gehalt leben. Wir können hier alles verbinden: In Freiburg kann man gut studieren, leben und Fußball spielen. Und wir haben mit der Uni ein sehr gutes Verhältnis: Wenn wir morgens um 10 und nachmittags um 15 Uhr trainieren, bauen sich unsere Spielerinnen ihren Tagesplan drumherum. Frauen sind vielleicht belastbarer als Männer (lacht).

Wie wichtig ist es, dass der SC Freiburg auf einer großen Bühne wie im DFB-Pokalfinale gegen den VfL Wolfsburg am Donnerstag (16.45 Uhr/ARD) auftaucht?

Zur Person

Birgit Bauer-Schick (58) ist als Abteilungsleiterin beim SC Freiburg eine Institution im deutschen Frauenfußball. Als Spielerin übernahm sie sofort auch Aufgaben im Management, als der Sportclub 1991 die Abteilung Frauen- und Mädchenfußball wiederbelebte. Nach und nach baute die engagierte Funktionärin die Sparte zu einer der besten Talentschmieden aus. (hel)

(überlegt) Das ist für alle ein überragendes Ereignis, nach dem jeder im Leben einer Fußballerin strebt. Der kleine SC Freiburg darf es mit seinen Frauen immerhin das zweite Mal in fünf Jahren erleben. Während der VfL Wolfsburg ein Dauerabo in Köln hat, ist es für uns was ganz Besonderes.

Und jetzt kündigt sich bei deutlich mehr als 40.000 verkauften Karten eine Rekordkulisse an. Vielleicht ist das Kölner Stadion, das zum Finale 44.808 Plätze bietet, am Donnerstag sogar ausverkauft.

Das ist mega. Unser Kontingent von mehr als 2000 Karten war in kürzester Zeit ausverkauft. Auch die Ultras fahren mit nach Köln und planen sogar eine Choreografie. Es wäre doch toll, wenn in Zukunft das Stadion in Köln zum Frauen-Endspiel genauso schnell ausverkauft ist wie in Berlin das Männer-Finale – völlig egal, wer darin spielt. Wir freuen uns abartig darauf, dass wir ein Teil davon sein können, auch wenn wir uns völlig bewusst sind, wer unser Gegner sein wird – wobei uns Wolfsburg ein bisschen besser liegt als München.

Volle Ränge am Vatertag

Für das Endspiel in Köln sind bereits 40.000 Tickets abgesetzt, wie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) am Dienstag bekannt gab. Die bisherige Bestmarke des eigenständigen Endspiels in der Rhein-Metropole von 26.282 Fans stammte von der Premiere 2010, als der FCR Duisburg 1:0 gegen den FF USV Jena gewann. Erst im April war an selber Stelle bereits ein Rekord gefallen: 38.365 Fans hatten bei der Partie zwischen dem 1. FC Köln und Eintracht Frankfurt (0:2) für eine Bestmarke in der Frauen-Bundesliga gesorgt.

Gibt es eine realistische Chance, diese fast unheimliche Siegesserie der Wolfsburgerinnen zu stoppen, die zwar gerade bei Eintracht Frankfurt mit 0:4 verloren, aber seit acht Jahren immer den DFB-Pokal gewonnen haben?

Es gibt doch eine schöne Redewendung: ‚Du hast keine Chance, aber nutze sie!‘ Daran wollen wir uns halten. Wir werden alles reinwerfen was geht – und wollen es trotzdem genießen. Bei uns fehlt in der Rückrunde ein bisschen das Selbstverständnis aus der Hinrunde. Klar ist: Wolfsburg darf keinen guten Tag haben, wir brauchen einen überragenden.

Der Vorstandssprecher von Eintracht Frankfurt, Axel Hellmann, hat gesagt, dass die Dominanz von Wolfsburg und Bayern dem Produkt Frauen-Bundesliga schade. Was sagen Sie?

Im Männerfußball haben wir mit Bayern München dasselbe Problem, weil sie gefühlt immer Deutscher Meister werden. Vom Grundsatz stimme ich zu, aber eine Lösung für das Problem habe ich ad hoc auch nicht. Es wäre natürlich schöner für den Frauenfußball, wenn fünf, sechs Teams um den Titel spielen würden als immer nur zwei.

Für Vereine wie uns sehe ich das Problem, dass der Kampf um die jungen Spielerinnen immer heftiger wird. 

Birgit Bauer-Schick

Die DFB-Zukunftsmodelle sehen vor, dass in einigen Jahren 60 Bundesligaspiele vor mehr als 10 000 Fans stattfinden und 16 DFL-Klubs in der Liga spielen.

Es ist sicherlich noch nicht ausgereizt. Daher ist wichtig, dass wir uns Ziele setzen – aber ich weiß nicht, ob das wirklich realistisch ist (macht eine Pause). Wir werden kontinuierlich weiter wachsen, aber ich bin gespannt, was aus einem Ausbildungsverein wie SGS Essen wird, nachdem Turbine Potsdam abgestiegen ist. Für Vereine wie uns sehe ich das Problem, dass der Kampf um die jungen Spielerinnen immer heftiger wird. Wir können immer häufiger nicht mehr mithalten, wenn Wolfsburg, Bayern, Frankfurt oder Hoffenheim dran sind. Und da geht es mittlerweile nicht mehr nur um die Toptalente.

Der Boom im Frauenfußball könnte konterkariert werden, wenn sich ARD und ZDF auf der einen Seite und die Fifa auf der anderen Seite nicht über die TV-Rechte zur Frauen-WM in Australien und Neuseeland einigen. Was sagen Sie?

Das ist ein Unding! Natürlich sind die Übertragungszeiten am Vormittag unglücklich, zu einem ‚Blackout‘ darf es aber nicht kommen. Da muss es eine Lösung zwischen den Sendern und der Fifa geben.

Interview: Frank Hellmann

Birgit Bauer-Schick.
Birgit Bauer-Schick. © IMAGO/Beautiful Sports

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