Der zwölfte Mann

Der FC Bayern hat kurzzeitig eine unerlaubte Überzahl beim SC Freiburg: Warum das Wechselspiel das DFB-Sportgericht beschäftigen sollte und der Gastgeber im Zwiespalt steckt.
Waren es jetzt 15, 17 oder 20 Sekunden? Womöglich 25? Ehe bemerkt wurde, dass der FC Bayern München unerhörter Weise zwölf Mann auf dem Platz hatte. Aber das ist in diesem Fall der unerheblichste Part. Es gibt sehr viel mehr andere offene Fragen, Fragen, die mit Regelwerk, Paragraphen und Fairness zu tun haben, mit Moral, Anstand und gesundem Menschenverstand.
Schnell zu den Fakten: In der 86. Minute wechselt der FC Bayern im Auswärtsspiel beim SC Freiburg beim Stand von 3:1 aus, zwei Spieler (Niklas Süle, Marcel Sabitzer) laufen auf den Platz, nur einer (Corentin Tolisso) geht runter, Kingsley Coman, der ebenfalls hätte gehen sollen, bleibt. Weil er sich, logischerweise, nicht angesprochen fühlte, da die Teammanagerin Kathleen Krüger statt seine neuen Nummer (elf), die alte (29) anzeigt. Ein paar Sekunden also agiert Bayern in Überzahl. Nico Schlotterbeck hat es nach eigenen Angaben zuerst bemerkt und Schiedsrichter Christian Dingert, der seinerzeit behauptet, per Videocall informiert worden zu sein, darauf aufmerksam gemacht. Rund 20 Sekunden also hatten die Bayern einen Mann mehr auf dem Rasen. Sabitzer übrigens erzielte später noch den 4:1-Endstand.
Wie ist dieser Regelverstoß zu werten?
In Paragraf 17 Absatz 4 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB heißt es: „War in einem Spiel ein Spieler nicht spiel- oder einsatzberechtigt, so ist das Spiel für die Mannschaft, die diesen Spieler schuldhaft eingesetzt hatte, mit 0:2 verloren und für den Gegner mit 2:0 gewonnen zu werten.“ Unstrittig ist, dass die eingewechselten Profis spielberechtigt waren, weil sie auf dem, Spielberichtsbogen standen. Aber auch einsatzberechtigt? Die Krux an der ganzen Sache ist: Der DFB-Kontrollausschuss, der sonst bei jeder Bagatelle eingreift und Ermittlungen anstellt, darf in dieser Causa nur tätig werden, wenn Freiburg offiziell Einspruch gegen die Wertung dieser Partie einlegt. Am Samstag ließ sich SC-Trainer Christian Streich so zitieren, wonach es deshalb zunächst keinen Protest von seiten des Klubs geben werden, weil er davon ausgehe, dass es entsprechende Regeln gebe, die für Klarheit sorgen.
Andererseits: Warum sollte der SC keinen Protest einlegen? Es wäre rechtlich völlig legitim. Sie können ja schließlich für den Fauxpas der Münchner ebenso wenig wie für das Regelwerk des DFB. Es geht um ziemlich viel, mit drei Punkten mehr hätten die Breisgauer 48 Zähler, die Europa League so gut wie sicher, selbst die Champions League ist dann in Reichweite. Und den Bayern würde es nichts ausmachen, drei Punkte mehr oder weniger ändern nichts am Gewinn des nächsten Meistertitels.
Doch damit, dass die betroffenen Breisgauer selbst aktiv werden müssen, bekäme das Ganze trotzdem einen faden Beigeschmack. Sportlich hatte die kurze Überzahl schließlich keinerlei Einfluss, es sei nichts „Spielentscheidendes“ geschehen, sagte Bayern-Trainer Julian Nagelsmann zu Recht.
Schwarzer Peter beim SC
Das weiß Freiburg, das weiß jeder. Und genau deshalb entstünde der Eindruck eines schlechten Verlierers, so was tut man nicht bei 1:3 vier Minuten vor Schluss: Und es wäre womöglich unfair gegenüber der Konkurrenz, nicht so sehr gegenüber den Bayern, als etwa Hoffenheim oder, Leipzig, die ebenfalls um die Königsklasse spielen. Nun muss Freiburg also abwägen zwischen der Wahrung des positiven eigenen Rufs oder einem juristischen Pochen auf Rechte,
Schiedsrichterchef Lutz Michael Fröhlich nahm auch die Referees in die Pflicht. „Es wäre gut gewesen, wenn man vor der Spielfortsetzung noch einmal einen Check gemacht hätte.“ Auch der Vierte Offizielle Arno Blos hätte das Wechselspiel besser kontrollieren müssen. Der Fehler liegt beim DFB. Er hat jetzt auch die Verpflichtung, ihn aus der Welt zu schaffen - vor dem Sportgericht, wo alles diskutiert gehört. mit dpa/sid