Der Rechtepoker

Die WM 2023 in Australien und Neuseeland soll den Frauenfußball voranbringen, aber ARD und ZDF ringen noch um die Übertragung.
Regelmäßig sendet der Fußball-Weltverband Fifa bereits Nachrichten rund um den Erdball, um das nächste Großereignis unter seiner Hoheit zu bewerben. So seien bereits mehr als 500 000 Tickets für die Frauen-WM 2023 in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) verkauft. Generalsekretärin Fatma Samoura beschwor „die fantastische Anziehungskraft des Frauenfußballs und die Leidenschaft, die er auf der ganzen Welt hervorruft“. Unter den zehn Nationen mit dem höchsten Interesse befindet sich nach den beiden Gastgebern, USA, England und Katar sogar Deutschland an sechster Stelle. Die deutschen Fußballerinnen wollen als Vizeeuropameister in Down Under nach dem dritten Stern greifen. Allerdings ist bis heute gar nicht mal gesichert, dass ARD und ZDF diese WM auch übertragen.
Für die europäischen Kernmärkte in England, Frankreich oder Deutschland ist noch kein Abschluss für das erstmals mit 32 Teams ausgespielte Turnier zustande gekommen. Erst am 12. Januar hatte der Weltverband zur Ausschreibung in Deutschland verkündet, dass die Medienunternehmen doch „durch finanzielle Mittel zur schnelleren Entwicklung und Förderung des Frauenfußballs beitragen“ mögen. Die Angebotsfrist endet Mitte Februar. Dass ein halbes Jahr vor einer WM die TV-Verträge noch nicht stehen, sei „sehr ungewöhnlich“, heißt es. Im Herbst vermeldete die Fifa zwar einen Abschluss mit 28 europäischen Gebieten, darunter fast überwiegend kleinere Länder, immerhin aber auch Schweiz und Österreich.
Klar ist, dass die Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland die Vergabe herbeisehnen. „Natürlich interessieren wir uns für die Rechte“, sagt ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. Doch ein Erwerb müsse auch „wirtschaftlich darstellbar“ sein. Es könnte noch auf einen zähen Poker hinauslaufen, der sich über mehrere Runden erstreckt.
ARD und ZDF sollen rund 215 Millionen Euro für das Paket für die WM 2022 in Katar bezahlt haben, in dem die Frauen-WM 2019 in Frankreich beinhaltet war. Durch die erstmalige separate Vergabe will die Fifa offenbar die Einnahmen signifikant nach oben schrauben. Fifa-Präsident Gianni Infantino attackierte am Rande der Auslosung in Auckland die angeblich zu niedrigen Gebote. Diese seien „100 Mal weniger“ als für die Männer-WM 2022 in Katar. „Das ist nicht akzeptabel“, schimpfte er.
Spiele zur Frühstückszeit
Nur was ist ein marktüblicher Preis? Zumal, wenn am anderen Ende der Welt und wegen der weit entfernten Spielorte immense Produktionskosten entstehen und wegen der Zeitverschiebung die Spiele nicht zur Primetime laufen. Die drei Gruppenspiele gegen Marokko in Melbourne (24 Juli), gegen Kolumbien in Sydney (30. Juli) und gegen Südkorea in Brisbane (3. August) werden zwar Ortszeit um 18.30, 19.30 und 20 Uhr angepfiffen, aber in Deutschland ist es dann 8.30, neun und zehn Uhr. Eine Rekordquote wie beim EM-Finale England gegen Deutschland aus dem vergangenen Sommer mit 17,9 Millionen Zuschauern in der ARD – mehr Zuspruch als jedes Spiel der Männer-WM in Katar – ist völlig utopisch.
Wo die Schmerzgrenze für ARD und ZDF liegt, ist nicht bekannt, aber es zeichnet sich ab, dass Bezahlsender wie Sky oder Magenta mitbieten, die beide vermehrt in den Frauenfußball investieren. Juristisch ist nicht ganz eindeutig geklärt, ob für die Frauen dasselbe gilt für die Männer: Der Rundfunkstaatsvertrag schreibt vor, dass bei einer WM die Spiele mit deutscher Beteiligung sowie das Eröffnungsspiel und die Halbfinals und das Finale im frei empfangbaren Fernsehen zu sehen sein müssen. Auch die Fifa kann eigentlich kein Interesse haben, dass eine Frauen-WM in reichweitenstarken Nationen im Nischenprogramm und Pay-TV verschwindet.
Zum ersten Male hatten ARD und ZDF 2011 in Deutschland alle Spiele einer Frauen-WM live gezeigt. Zuletzt von der Frauen-EM in England gab es alle Partien entweder im Fernsehen oder im Livestream bei ARD und ZDF. Käme es mit diesen Anstalten zu keiner Einigung, würde das Streben nach mehr Sichtbarkeit einen schweren Rückschlag erleiden. Gerade hat der DFB erreicht, dass Länderspiele möglichst nicht mehr im Nachmittagsprogramm, sondern in den Abendstunden laufen.
So wird das Freundschaftsspiel gegen Schweden (21. Februar) live im ZDF um 18.15 Uhr ausgestrahlt. Zudem hat SportA für ARD und ZDF kürzlich das Recht zur Übertragung von zehn Livespielen aus der Frauen-Bundesliga ab 2023/24 erworben. Vor diesem Hintergrund würde es noch weniger passen, wenn ausgerechnet bei der WM diesen Sommer die Mattscheibe im Ersten und Zweiten schwarz bliebe.