Der Prince soll es richten

Abstiegskrimi in Berlin: Hertha BSC trifft am Sonntag auf die Minimalisten des VfB Stuttgart. Sind Magaths Methoden wieder erfolgreich?
Alle gucken nach oben, aber hallo: Dass die Partie zwischen Hertha BSC und dem VfB Stuttgart zum Abschluss des 31. Bundesligaspieltags am Sonntag (17.30 Uhr, Dazn) bedeutender ist als das viel mehr im Fokus stehende Spiel Bayern München gegen Borussia Dortmund am Samstagabend, kann niemand ernsthaft bestreiten. In München geht es ja praktisch um nichts mehr, außer um ein bisschen Ruhm und zum zehnten Mal die Schale vorab.
In Berlin dagegen geht es fast schon um alles.
Die Hertha und der VfB sind Tabellennachbarn. Beides großes Traditionsklubs dazu, die der Bundesliga besser erhalten blieben. Die Hertha hält die Nase derzeit gerade noch über dem Strich als 15., der VfB schon Oberkante Unterlippe einen Punkt schlechter, aber mit deutlich besserem Torverhältnis auf Relegationsrang 16.
Magaths Methoden
Die Hertha verbraucht just den dritten Trainer, die Schwaben stehen treu zu Pellegrino Matarazzo. Und zwar tut Sportchef Sven Mislintat das völlig zu Recht. Dahinter steht Sinn und Verstand. In Berlin steht hinter Felix Magath hingegen die pure Verzweiflung, nachdem sich Fredi Bobic mit dem netten Herrn Korkut so dermaßen geirrt hatte.
Magathts Methoden haben vergangene Woche gegriffen. Der Altmeister warf einen der wenigen verbliebenen Stürmer raus (Ishak Belfodil) und beförderte den kniekranken Kevin-Prince Boateng zurück auf den Platz. Magath spürte, dass es für diese Hertha-Mannschaft nicht reicht, einen Anführer nur für die Kabine zu haben. Es braucht einen zwischen den Kreidelinien, und da machte es beim Sieg in Augsburg auch nichts, dass der 35-jährige Boateng mitunter zu spät in die Zweikämpfe rauschte. Im Gegenteil: So tut man den Gegnern weh und verschafft sich Respekt. Dabei hatte Boateng nach seiner Einwechslung vor vier Monaten bei der 0:4-Niederlage in Mainz noch wie die traurige Persiflage eines einstigen internationalen Starspielers ausgesehen. Fast schon zum Fremdschämen.
Jetzt wird der Prince alldieweil gelobt. Magath: „Er ist vorangegangen. Er hat gezeigt, wie es geht.“ Das soll Boateng auch gegen Stuttgart wieder tun und damit auch seine Mitspieler besser machen. Er wird das nicht über volle 90 Minuten schaffen, so viel steht fest, aber ein Kevin-Prince Boateng ist auch ganz brauchbar in der Coachingzone. In Augsburg agierte er ähnlich gestenreich wie weiland Cristiano Ronaldo nach dessen früher Verletzung im für Portugal siegreichen EM-Finale 2016 gegen Frankreich.
Für den VfB Stuttgart steht unangenehmerweise das zweite Auswärtsspiel in Folge an. Vergangenen Samstag in Mainz gab es ein 0:0, das eher den Gastgebern schmeichelte. Für die minimalistischen Schwaben war es nach Bochum und Fürth die dritte Nullnummer in der Fremde. Im Olympiastadion wollen sie mehr. „Wir werden in Berlin unseren Job machen“, sagt der mutmaßlich sogar von den Bayern umworbene Mittelstürmer Sasa Kalajdzic, „wir müssen gewinnen.“ Damit hat der ball- und wortgewandte Österreicher irgendwie sogar Recht: Um die Hertha aus eigener Kraft zu überholen, bleibt erstmal nur dieser 31. Spieltag. Eine Stuttgarter Niederlage würde bei dann vier Punkten Rückstand so gut wie festzurren: entweder Relegation oder direkter Abstieg.