Der Mainzer Glücksgriff Ludovic Ajorque

Ganz und gar nicht alltäglich: Die besondere Karriere des auf La Reunion geborenen Mittelstürmers.
Bei Mainz 05 stürmt gerade einer, der herausragt. Nicht nur, weil er fast zwei Meter groß ist. Sondern vor allem deshalb, weil Ludovic Ajorque, an Toren und Vorlagen gemessen, der beste Wintereinkauf der Fußball-Bundesliga ist. Am Samstag im Berliner Olympiastadion erzielte der lange Lulatsch mit einem astreinen Schuss in den Winkel aus der Drehung das Ausgleichstor zum 1:1, nachdem er unmittelbar davor ein Kopfballduell gewonnen hatte. Da war in einer einzigen Szene alles drin, was die Mainzer sich von dem 1,96-Meter-Mann erhofft hatten.
Besonders bitter für die Hertha, dass ausgerechnet Ajorque ihr zwei Punkte kostete: Im vergangenen Sommer war der 29-Jährige zu teuer für den Hauptstadtklub gewesen, Racing Straßburg wollte 15 Millionen Euro. Im Winter, nach einer enttäuschenden Vorrunde, schlug Mainz 05 zu und zahlte „nur“ sechs Millionen. Der Preisverfall erklärte sich dadurch, dass der Mittelstürmer nach einer erfolgreichen Vorsaison für Straßburg plötzlich nicht mehr traf: in 13 Spielen nur einmal Mal per Strafstoß.
Bis 18 noch Amateur
Seit seiner Verpflichtung in Mainz ist er bereits auf vier Scorerpunkte gekommen, nachdem es anfangs auffällig holprig vor dem Tor lief und die Leute sich schon lustig machten über den etwas staksig daherkommenden Angreifer, der allerdings dank seiner Athletik und Kopfballstärke Räume für die Mitspieler schaffte.
Seine Karriere ist ungewöhnlich. Geboren auf der Insel La Reunion, einem wunderschönen französischen Übersee-Departement im Indischen Ozean, auf dem es allerdings keinen professionellen Fußball gibt, spielte Ajorque bis zum 18. Lebensjahr als Amateur. Dann versuchte er sich auf dem französischen Festland, fiel jedoch bei Probetrainings regelmäßig durch.
Schließlich wurde er von einem Drittligisten verpflichtet, allerdings bald verliehen und überlegte schon, ob er nicht doch lieber Sportlehrer auf La Reunion werden sollte. Doch dann meinten es sein Talent, sein Wille und das Schicksal gut mit ihm: Über den Zweitligisten Clermont Foot schaffte er es nach Straßburg und erzielte in der Ligue 1 stolze 51 Tore. In der Bundesliga wurden mehrere Klubs auf ihn aufmerksam, unter anderem auch Mainz 05, wo er im Januar einen Vertrag bis 2026 unterschrieben hat.
Mit La Reunion verbindet Ludovic Ajorque eine enge emotionale Bindung. Er liebt die Musik der Insel, er geht dort mit Freunden schwimmen und tauchen, wann immer die Zeit es erlaubt. „Ich fahre gerne in die Heimat, denn dort habe ich meine Familie. Außerdem ist das Wetter dort meistens gut.“
Vor Spielen, wie jenem am Sonntag gegen den SC Freiburg (19.30 Uhr), höre er stets „ein Lied aus der Heimat, weil ich sehr heimat- und familienbezogen bin. Ich brauche das, um beim Spiel auch meine Heimat zu repräsentieren.“ Logisch, dass sein Lieblingsgericht - Reis mit Fisch - auch von La Reunion kommt. Später im Leben, nach der aktiven Karriere, will er mitsamt der Frau und dem gerade dreijährigen Sohn am liebsten auf die Insel seines Herzens zurückkehren „und dort vielleicht junge Spieler trainieren, um sie zu unterstützen, Profi zu werden“. Er weiß ja bestens aus eigener Erfahrung, wie schwer das ist, wenn man auf La Reunion aufgewachsen ist.