Hertha BSC: Der kaputte Klub

Bei Hertha BSC schreitet die ungute Entwicklung der Entfremdung nach der 1:4-Klatsche gegen Union weiter fort - und mündet in einer Demütigung der Spieler durch Fans.
Und schon wieder so ein vermaledeites Wochenende der Entfremdung bei Hertha BSC im Angesicht des 1:4 im Derby gegen Union.
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Fredi Bobic spricht Klartext
Die Stimmung ist maximal gereizt. Schon vor ein paar Wochen: Überraschendes Erscheinen einer Gruppe aus der organisierten Fanszene in unguter Absicht beim Training. Ziel: den Profis Beine zu machen. Sportboss Fredi Bobic: „Das war kein Besuch, das war ein Aufmarsch!“
Samstag nach der brachialen Niederlage dann: Capos im Innenraum mit der dringenden Aufforderung an die Spieler, ihre Trikots vor der Fankurve niederzulegen. Einige leisteten Folge, andere nicht. Bobic tags darauf im Fußballstammtisch „Doppelpass“: „Da wird eine Linie überschritten, die nicht okay ist.“
Derselbe Bobic am frühen Abend zuvor zum TV-Reporter des ZDF auf Nachfrage nach der Liquidität des Investors Windhorst: Keine Lust, über so einen „Scheiß“ zu sprechen.
Felix Magath hat Zweifel
Trainer Felix Magath, ein Ausbund an Selbstgewissheit bei der Vorstellung vor knapp einem Monat („Wer, bitte schön, kann es besser als ich? Ich bitte um Wortmeldungen!“), nun schon in überaus berechtigte Selbstzweifel verfallen: „Wie kriege ich die Spieler dazu, dass sie auf dem Platz zusammenarbeiten, zusammen sich wehren, zusammen kämpfen?“
Die Ex-Nationalspieler Marvin Plattenhardt - 2018 noch in der deutschen WM-Startelf - und Niklas Stark - Väter des Anfangserfolgs gegen Hoffenheim (3:0) unter Magaths womöglich etwas zu hoch gelobten Assistenten Mark Fotheringham: beide verletzt.
Marton Dardai spielt für Pal Dardai
Der für den heillos überforderten, bemitleidenswerten 18-jährigen Julian Eitschberger eingewechselte Marton Dardai: Agiert verdächtig so, als sei er von Vater Pal als Trojanisches Pferd eingeschleust und setze mit seinen Fehlern seine Karriere zugunsten des von Bobic schnöde geschassten Herrn Papas aufs Spiel.
Marcel Lotka, der beste Mann, geht weg
Der beste Mann im Hertha-Trikot: Torwart Marcel Lotka, 20. Zuvor gewogen und für zu leicht befunden. Muss zur neuen Saison gehen. Ablösefrei zu Borussia Dortmund II.
Maximilian Mittelstädt gibt sein letztes Hemd
Der junge Lotka gehörte zu denjenigen, die furchtsam und erniedrigt ihre Hemden zerknüllt vor die Kurve der Ultras niederlegten: „Maxi vorn sagte, wir sollen die Trikots ausziehen.“ Maximilian Mittelstädt: „Es war klar, dass die Fans sauer sind, daher habe ich es gemacht.“ Das letzte Hemd gegeben! Bobic: „So was macht etwas mit den Spielern. Man muss da aufpassen. Wir reden hier doch über Sport... Irgendwann kommt der Punkt, da reicht es.“ Der Dialog mit der Szene sei „nicht angenehm“.
Lars Windhorst kontra Werner Gegenbauer
Statt zusammenrücken also voneinander abrücken. Statt gegenseitiger Unterstützung gegenseitiges Knüppel-zwischen-die-Beine-Werfen. Das ist gelernte Praxis bei der Hertha, spätestens seit Klinsmann. Geraume Zeit schon zwischen Investor Lars Windhorst und Präsident Werner Gegenbauer. Am Oberrang der weithin sichtbare Vorschlag eines Exit-Szenarios von Fans: „Windhorst und Gegenbauer raus“.
Die drängenden multiplen Fragen: Kriegt Magath das hin mit der Mannschaft? Kriegt die Mannschaft das hin mit den Fans und mit den anstehenden Gegnern in Kragenweite, jetzt Augsburg, dann Stuttgart und Bielefeld? Kriegt Windhorst das hin mit dem knappen Geld und der vermeldeten Verpfändung von Hertha-Anteilen? Kriegt Gegenbauer das hin mit seinem Abgang im Mai bei der Mitgliederversammlung? Schafft Bobic das mit dem ganzen kaputten Klub? Oder schafft der kaputte Klub ihn?
Gut sieht es gerade nicht aus, für keine einzige Antwort auf diese Fragen. Bobic hat mit dem Chefcoach gesprochen: „Unser Trainer Felix Magath sagt, dass die Mannschaft topfit ist – und sie ist gewillt.“ Das ist ein ferner Schimmer für Hoffnung. Aber Bobic sagt auch, Magath sei jetzt dabei, „über den psychologischen Bereich“ in die Köpfe der Spieler zu kommen. Das lässt angesichts der Vita des Schleifers nichts Gutes erahnen.