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„Der Geist ist raus aus der Flasche“

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Von: Jan Christian Müller

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Steht er noch mal im Bayern-Tor: Manuel Neuer.
Steht er noch mal im Bayern-Tor: Manuel Neuer. Foto: AFP © AFP

Warum der Kommunikationsexperte Dirk Metz das Aufsehen erregende Interview von Manuel Neuer für falsch hält und er dem Nationaltorwart keine Zukunft mehr bei den Bayern gibt

Es gilt schon jetzt als gesichert: Das Interview von Nationaltorhüter Manuel Neuer vom vergangenen Wochenende wird in die Annalen der Fußball-Bundesliga eingehen. Kommunikationsexperte Dirk Metz glaubt, der bald 37-Jährige habe sich damit keinen Gefallen getan.

Herr Metz, was hat Manuel Neuer mit seinem Interview angerichtet?

Ich erwarte, dass Neuers Ehe mit dem FC Bayern relativ bald geschieden werden dürfte. Dass nach diesem Interview nichts mehr so sein würde wie vorher, das hat Manuel Neuer sich denken müssen. Und das hat er, glaube ich, auch in sein Kalkül einbezogen.

Von verständnisvollen Medien wird vorgebracht, Neuer habe all das, was er jetzt im Interview artikuliert hat, im Vorfeld bereits intern kritisch angemerkt. Ist es dennoch eine andere Qualität, seine Meinung derart deutlich öffentlich kundzutun?

Es liegen Welten dazwischen. Derartige öffentliche Aussagen bringen den Verein ganz anders in Zugzwang. Und die Tatsache, dass er dieses Interview ohne vorherige Absprache mit dem FC Bayern geführt und dann ja auch autorisiert hat, zeigt doch, dass ihm die Tragweite durchaus bewusst war. Denn hätte er das Gespräch mit einem solchen Inhalt zuvor angemeldet, wären in der Pressestelle der Bayern sofort alle Alarmsirenen angegangen.

Was wäre passiert?

Man hätte ihm sofort gesagt: ,Manuel, lass die Finger davon“.

Wenn Sie, Herr Metz, der Medienberater von Manuel Neuer wären – hätten Sie ihm dann zu derart scharfen Formulierungen geraten?

Nein. Ich hätte ihm zu Zurückhaltung geraten. Sowohl, was seinen Skiunfall angeht als auch den ehemaligen Torwarttrainer Toni Tapalovic. Denn der Skiunfall hatte ja nicht nur für ihn, sondern auch für den Verein dramatische Folgen mit erheblichen finanziellen Konsequenzen. Ich glaube deshalb, es wäre angemessen gewesen, ein bisschen demütiger daherzukommen.

Hätten die Bayern die Causa Tapalovic nicht einfühlsamer mit Neuer besprechen müssen?

Wir wissen nicht, wie die Gespräche exakt verlaufen sind. Trainer Julian Nagelsmann hat bekräftigt, dass er das Thema unter vier Augen mit Neuer besprochen habe. Wir wissen aber nicht, was er seinem Kapitän erklärt hat und was dieser dazu gesagt hat. Wie dem auch sei: Den Zwist auf dem offenen Markt in dieser Tonalität auszutragen, birgt genau die Risiken in sich, die wir jetzt besichtigen können.

Es treffen jetzt extrem unterschiedliche Wahrnehmungen aufeinander. Experten wie die Ex-Profis Didi Hamann, Stefan Effenberg und Lothar Matthäus sagen sinngemäß, Neuer habe sich mit diesem Interview über den Verein gestellt. Das hätte er nicht machen dürfen. Viele Medien formulieren dagegen, endlich habe da mal einer den Mut gehabt, unverblümt seine Meinung zu äußern. Was sagen Sie?

Jeder hat da irgendwie Recht. Aber egal, ob man das Interview für mannhaft hält oder für frech – jeder weiß doch auch: Solange Neuer bei den Bayern angestellt ist, wird dort kein Tag mehr so sein wie vorher. Dass da noch mal ein zartes Pflänzchen Vertrauen wächst, halte ich für nicht sehr wahrscheinlich. Von daher schätze ich die Lage so ein, dass wir ihn nicht noch mal einen Ball für den FC Bayern halten sehen.

Neuer ist ja noch geraume Zeit nicht einsatzfähig.

Ja, und das macht das Ganze noch dramatischer. Das Thema wird den FC Bayern noch über viele Monate hinweg beschäftigen. Woche für Woche. Wie läuft seine Reha, strahlt sein Vertreter Yann Sommer dieselbe Sicherheit aus, was wird mit Alexander Nübei? Woche für Woche. Ich glaube nicht, dass der FC Bayern diese Diskussion lange wird aushalten können. Ich erwarte deshalb, dass relativ bald Entscheidungen getroffen werden.

Wie beurteilen Sie die ersten inhaltlich deutlichen, im Ton aber moderaten Reaktionen der Bayern-Vorstände Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic?

Zur Person

Dirk Metz, ist Gründer und Geschäftsführer der Agentur Dirk Metz Kommunikation (DMK) mit Sitz in Frankfurt. Der 66-Jährige berät mit seinem Team Unternehmen und Verbände, auch im Sport und in Krisensituationen. Er war Pressesprecher der Hessischen Landesregierung im Kabinett von Ministerpräsident Roland Koch, fast drei Jahrzehnte lang Hallensprecher der deutschen Handball-Nationalmannschaft und stand zuletzt der Familie des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke als Sprecher zur Seite. FR

Das fand ich klug, weil sie damit einen Kontrapunkt gesetzt und jedenfalls die Grundlage für ein ordentliches Gespräch mit Neuer geschaffen haben. Denn zur Fairness ihm gegenüber gehört natürlich auch, Neuers Verdienste zu würdigen. Die Erfolge des FC Bayern in den vergangenen zwölf, 13 Jahren sind eng mit ihm verbunden gewesen. Der Verein kann es sich nicht leisten, einen wie ihn einfach in die Wüste zu jagen. Dazu ist der Fußball zu emotional.

Sollte man sich doch noch irgendwie näherkommen – kann Neuer sogar Kapitän bleiben?

Jemandem, der so viele Jahre eines der prägenden Gesichter des FC Bayern war, kann man die Binde nicht einfach mal so abnehmen. Ich glaube nicht, dass Manuel Neuer dann in einem von der Presseabteilung der Bayern autorisierten Interview zustimmen wird, dass er das für eine konstruktive Vertrauen schaffende Idee hält.

Was würden Sie jetzt Neuer selbst raten im öffentlichen Umgang mit dieser Situation?

Er hat das Interview ja sehr bewusst geführt und keinesfalls aus dem Affekt des ersten Ärgers heraus. Das heißt: Er kann jetzt natürlich nicht zurückrudern und sagen, er habe das in dieser Form doch so gar nicht gemeint. Der Geist ist raus aus der Flasche und man kann ihn auch nicht wieder hineinstopfen. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich zurückzuhalten und zu schauen, wie der FC Bayern mit der Situation umgeht. Er wird sich im Gespräch mit Kahn und Salihamidzic aber sicher warm anziehen müssen.

Ist es aus Ihrer Sicht überraschend, dass jemand, der sich eine solch exponierte Position beim besten deutschen Verein erarbeitet hat, nun bereit ist, einen derart scharfen Konflikt auszutragen?

Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass eine Meinungsverschiedenheit in der Fußball-Bundesliga jemals öffentlich in dieser Schärfe ausgetragen wurde.

Und was bedeuten die Turbulenzen eigentlich für den Bundestrainer und die Nationalmannschaft?

Wenig, Hansi Flick kann bei den anstehenden Länderspielen im März gegen Peru und Belgien Kevin Trapp und Marc-André ter Stegen ins Tor stellen – und die Genesung von Manuel Neuer mit Interesse verfolgen.

Sie waren bis 2021 sechs Jahre lang im Aufsichtsrat von Schalke 04. Sollte Schalke sich darum bemühen, den einstigen Jugendtorwart Neuer zurückzuholen?

Wir haben schon zu meiner Zeit im Aufsichtsrat darüber gesprochen, dass es schön wäre, ihn eines Tages zurückzuholen. Er war für Schalke ja schon eine besondere Identifikationsfigur. Aber man muss das auch realistisch einschätzen. Er ist in Bayern längst verwurzelt. Und ob er als Welttorhüter das Risiko tragen möchte, nächste Saison eventuell in Sandhausen oder Elversberg anzutreten, wage ich zu bezweifeln.

Interview: Jan Christian Müller

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