Der Fall Mario Vuskovic

DFB-Sportgericht verhandelt mutmaßlichen EPO-Missbrauch des HSV-Profis. Es nicht das erste Mal, dass ein Fußballspieler wegen Dopings auf der Anklagebank sitzt.
Es handelt sich um ein Sportgerichtsverfahren, das den üblichen Rahmen sprengt. Für Stephan Oberholz, den Nachfolger des zuvor anderthalb Jahrzehnte als Vorsitzender des DFB-Sportgerichts amtierenden Hans- E. Lorenz, könnte die Herausforderung kaum größer sein. Entsprechend hat Oberholz für die mündliche Verhandlung im mutmaßlichen Epo-Dopingfall des Verteidiger Mario Vuskovic vom Zweitligisten Hamburger SV gleich zwei Verhandlungstage angesetzt: Freitag, den 3. Februar und Donnerstag, den 9. Februar. Das ist absolut unüblich.
Ex-Sportgerichts-Vorsitzender Lorenz erinnert sich: „Ich habe das in 15 Jahren nur einmal erlebt.“ Nach dem von Ausschreitungen begleiteten Relegationsspiel Fortuna Düsseldorf gegen Hertha BSC im Mai 2012 erhob Hertha Einspruch gegen die Spielwertung, um so den Abstieg zu verhindern. Es wurde am Freitagabend bis 21 Uhr verhandelt, Lorenz entschied daraufhin, den Urteilsspruch erst am darauffolgenden Montag zu verkünden. Ergebnis: Es blieb beim Abstieg der Berliner in die zweite Liga.
Der Koate Vuskovic war am 16. September 2022 bei einer vorgenommenen unangekündigten Dopingkontrolle nach dem Training positiv auf körperfremdes (!) Erythropoetin (EPO) getestet worden. Die B-Probe im Dezember bestätigte das positive Ergebnis. Das Toptalent des HSV ist vorläufig gesperrt, darf auch nicht am Trainingsbetrieb teilnehmen. Öffentlich äußerte sich der Profi bislang nicht. Vor dem DFB gab er seine Stellungnahme ab, in der er seine Unschuld beteuert. Außerdem legte er Einspruch gegen seine vorläufige Sperre ein. Dem Vernehmen nach hat er fünf Anwälte engagiert. Schlimmstenfalls droht ihm eine Vierjahressperre sowie dann auch staatsanwaltliche Ermittlungen.
Zwei Verhandlungstage werden womöglich aufgrund der Komplexität des Falles nicht reichen. Dem Vernehmen nach wollen die Verteidiger des Spielers jeden Stein umdrehen und haben umfangreiche Stellungnahmen vorbereitet. Der renommierte Sportrechtler Michael Lehner sagte dem NDR: „Wenn er wirklich Epo genommen hat, gibt es nur einen Rat: Raus damit! Alles auf den Tisch, Asche auf mein Haupt und bereit sein, mit den Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten.“ Dazu dürfte es jedoch nicht kommen.
Die Beweisführung seiner Unschuld dürfte jedoch schwierig werden. Denn Erythropoetin wird intravenös in die Haut verabreicht. Deshalb halten Expert:innen einen absichtlichen Gebrauch für wahrscheinlich. Epo wird zum Zweck der Leistungssteigerung missbraucht. Vor allem Ausdauersportler profitieren von der Wirkung, etwa im Radsport, wo nicht nur die Tour de France in den 1990ern und den Nullerjahren des neuen Jahrtausends als EPO-verseucht überführt wurde.
Beim Hamburger SV galt der hochveranlagte Defensivspieler Vuskovic als Versprechen auf die Zukunft. Der Zweitligist hat insgesamt mehr als vier Millionen Euro an Leihgebühr und Ablöse für Vuskovic an Hajduk Split überwiesen und ihn mit einem Vertrag bis 2025 ausgestattet. Im Falle einer langen Sperre droht ein Millionenverlust. „Es geht für den Spieler und den Verein um sehr viel Geld“, sagt Ex-DFB-Richter Hans E. Lorenz, „insoweit ist es ein Verfahren von herausragender Bedeutung.
Es ist bei weitem nicht das erste Mal, das ein DFB-Sportgericht ein Dopingverfahren behandelt. Der erste überführte Bundesliga-Dopingsünder war 1995 Stürmer Roland Wohlfarth (VfL Bochum), der positiv auf das Stimulanzmittel Norephedrin getestet wurde. Er hatte sich das Mittelchen wegen seines Hangs zu Übergewicht in einer Apotheke als Appetitzügler besorgt. Wohlfarth wurde für zwei Monate gesperrt und musste 60 000 Mark (rund 30 000 Euro) Geldstrafe zahlen.
1998 wurde beim Bochumer Torwart Thomas Ernst (VfL Bochum) nach dem Bundesligaspiel beim 1. FC Kaiserslautern die Einnahme eines kreislaufstabilisierenden Mittels nachgewiesen. Vereinsarzt Dr. Joachim Schubert hatte dem Torwart das Mittel in der Halbzeitpause nach einem Zusammenprall mit dem Dänen Michael Schjönberg verabreicht. Das Medikament steht nicht auf der Dopingliste, eine darin enthaltene Substanz schon. Ernst wurde freigesprochen, der VfL Bochum musste 80 000 Mark Strafe zahlen.
1999 wurde der Nürnberger Thomas Ziemer zu einer neunmonatigen Sperre verdonnert, nachdem beim Mittelfeldspieler ein erhöhter Testosteronwert auf Grund der Einnahme eines anabolen Steroids festgestellt worden war. Ziemer hatte beteuert, nie wissentlich Dopingsubstanzen zu sich genommen zu haben, aber dem „Ernährungsberater“ Herbert Brand und dessen Nahrungsergänzungsmitteln „blind vertraut“ zu haben. Die Sperre wurde später nach Ziemers Einspruch auf sechs Monate verringert.
2000 wurde Quido Lanzaat (Borussia Mönchengladbach) nach dem Finale des Hallenmasters in München positiv auf Tetrahydrocannabinol (THC) getestet. Der Niederländer gab zu, in der Silvesternacht Haschisch konsumiert zu haben. Es gab acht Wochen Sperre für Lanzaat und die verschmerzbare Aberkennung des Hallenmasters-Titels für die Gladbacher.
Im selben Jahr wurde Ibrahim Tanko (Borussia Dortmund) nach dem DFB-Pokalspiel bei Schalke 04 positiv auf Tetrahydro-Cannabinol getestet. Der Ghanaer gestand die Einnahme von Marihuana ein, wurde vier Monate lang gesperrt und musste 15 000 Mark Strafe zahlen.
2009 musste die TSG Hoffenheim eine Geldstrafe von 75 000 Euro zahlen. Die Spieler Andreas Ibertsberger und Christoph Janker waren nach der Partie bei Borussia Mönchengladbach zehn Minuten zu spät zur Dopingkontrolle erschienen, weil Trainer Ralf Rangnick erst noch eine Mannschaftssitzung anberaumt hatte. Die Spieler selbst wurden freigesprochen.