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Der Fall Gary Lineker

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Von: Jakob Böllhoff

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Meinungsfreiheit gibt es auf der britischen Insel zum Glück noch.
Meinungsfreiheit gibt es auf der britischen Insel zum Glück noch. © afp

Man kann nur den Hut ziehen vor dem BBC-Moderator, der die Flüchtlingspolitik in Großbritannien geißelt und deshalb vom Sender suspendiert wurde. Der Kommentar.

Das Chaos begann mit einem Tweet, womit auch sonst. Auf Twitter also hatte Gary Lineker, ehemaliger Weltstar und inzwischen der wohl beliebteste und bekannteste Fußballmoderator Englands, in der vergangenen Woche das neue Asylgesetz der konservativen britischen Regierung kritisiert. Dieses Gesetz sieht – in aller Kürze dargestellt – vor, dass fast alle Migrantinnen und Migranten, die ohne offizielle Erlaubnis einreisen, zunächst festgesetzt werden, um innerhalb weniger Wochen ausgewiesen zu werden. Das Recht, Asyl zu beantragen, wird ihnen abgesprochen.

Dies sei „mehr als schrecklich“, schrieb Lineker, und auf die Kritik, er sei „nicht mehr ganz bei Trost“, legte er nach: „Dies ist eine unermesslich grausame Politik, die sich gegen die am stärksten gefährdeten Menschen richtet, in einer Sprache, die der von Deutschland in den 1930er Jahren nicht unähnlich ist, und ich soll nicht ganz bei Trost sein?“

Seitdem ist einiges ins Wanken geraten auf der Insel. Nicht zuletzt die BBC. Die altehrwürdige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, bei der Lineker seit 1999 jedes Wochenende „Match of the Day“ präsentiert – eine Art Äquivalent zur Sportschau, nur ein bisschen cooler – suspendierte ihren meinungsstarken Starmoderator. Er habe die Neutralitätsrichtlinien der Rundfunkanstalt verletzt.

Der Fall Gary Lineker – Solidarität von anderen Ex-Profis

Das war keine so gute Idee von der guten, alten BBC. Nach Linekers Rauswurf stiegen zunächst die als Experten eingeplanten Ex-Profis Ian Wright und Alan Shearer aus Solidarität mit dem Kollegen aus. Es folgten die Kommentatoren, so dass die BBC sich gezwungen sah, seine Highlight-Show am Samstagabend in einer Schrumpfversion zu versenden am Samstagabend: 20 Minuten statt 80, ein Spiel der Premier League nach dem anderen, keine Interviews, keine Kommentare, nur die Bilder und der Sound aus den Stadien. Es soll eine traurige Angelegenheit gewesen sein, selbst aus puristischer Sicht.

Doch gewichtiger sind die Fragen, die über den Fußball hinaus gehen. Im Blickpunkt steht nicht zuletzt der Vorsitzende der BBC, Richard Sharp. Dessen Verbindungen zur rechtskonservativen Regierungspartei Tory sind verbrieft. Mehr als 400 000 britische Pfund hat er ihr gespendet, und Boris Johnson verhalf der ehemalige Manager bei Goldman Sachs in dessen Zeit als Premierminister zu einem Kredit über 800 000. Und so einer lässt einen Fußballmoderator wegen eines „falschen“ Tweets vor die Tür setzen?

Der Fall Gary Lineker – Verbindungen zwischen BBC und Tories

Die Solidarität mit Lineker, dem auf Twitter mehr als 8,8 Millionen Menschen folgen, ist groß. Mindestens so groß wie das Problem, dass die BBC jetzt hat. Die hat am Sonntag verkündet, sie bleibe bei ihrem Standpunkt, wünsche sich aber eine Rückkehr Linekers, wie Generaldirektor Tim Davie sagte. Der war selbst einmal Politiker bei den Tories und verkörpert damit, wie Sharp, den Verdacht, dass sich die Anstalt von rechts beeinflussen lässt.

So droht die BBC ihren besten Mann zu verlieren. Denn Gary Lineker hat klargemacht, sich nicht entschuldigen zu wollen, und bei sich und seiner Meinung zu bleiben, als Stimme derer, die keine Stimme haben.

Man kann nur den Hut ziehen. (Jakob Böllhoff)

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