Der Emir ist sauer

Katar wittert eine Kampagne gegen das WM-Ausrichterland und geht in den Gegenangriff: „Katar einer beispiellosen Kampagne ausgesetzt.“
Es könnte alles so schön sein für den mächtigen Emir von Katar. Scheich Tamim Bin Hamad Al Thani, 42 Jahre alt und ein Mann von stattlicher Statur, und das von ihm regierte, nur 180 Kilometer lange und 85 Kilometer breite Katar werden von halb Europa umgarnt. Denn Energie ist knapp in diesen Gefilden, derweil der längst zum wirtschaftspolitischen Riesen gewordene Zwergenstaat sich im Persischen Golf mit Iran eines der größten Erdgasfelder der Welt teilt.
Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck war deshalb im März zu Gast in Katar und buhlte um Flüssiggas, Bundeskanzler Olaf Scholz empfing Tamin Al Thani im Mai und lobte die guten Beziehungen. Wie man hört, ist aus den Plänen, dass deutsche Unternehmen mit „Qatar Energy“ Verträge unterschreiben, um Flüssiggas nach Deutschland zu verschiffen, noch nichts geworden. Aber dass Katar ein Profiteur der Energiekrise und der dadurch exorbitant steigenden Preise ist, steht außer Zweifel.
Es hagelte Kritik
Eigentlich wollten der Emir und sein Gefolge auch Profiteure der bald anstehenden Fußball-Weltmeisterschaft sein. Sie haben dafür zirka 150 Milliarden Euro investiert, in neue Stadien, neue Hotels, neue U-Bahnen und Straßen, aber die Begeisterung über diese Winter-WM hält sich vor allem in Nordeuropa arg in Grenzen. Es hagelt Kritik, vor allem von Amnesty International und Human Rights Watch, der Menschenrechte wegen.
Der Emir, der Widerworte nicht gewohnt ist, hat das bisher weitgehend kommentarlos an sich abtropfen lassen, aber jetzt reicht es ihm. „Seitdem wir die Ehre haben, die Weltmeisterschaft auszurichten, ist Katar einer beispiellosen Kampagne ausgesetzt, die noch kein Gastgeberland jemals erlebt hat“, schimpfte er in einer Fernsehansprache.
Anfangs, gibt Tamin Al Thani vor, habe er geglaubt, dass manche Kritikpunkte sogar nützlich sein könnten, um sein Land klug weiterzuentwickeln, mittlerweile aber erfasst ihn die kalte Wut. Er spricht von „Verleumdungen und Doppelmoral“ und einem „Grad an Heftigkeit“, der „viele über die wahren Gründe und Motive hinter dieser Kampagne nachdenken lässt“.
Dass Tamin Al Thani so in die Offensive geht, ist eine interessante Änderung der Taktik. Offenbar will Katar öffentlichen Gegendruck erzeugen. Das dürfte auch die deutsche Innenministerin Nancy Faeser registrieren, die am letzten Oktobertag gemeinsam mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf ins WM-Gastgeberland aufbricht und dort auch für Katar unangenehme Themen ansprechen will.
Neuendorf stellte bereits auf Anfrage des RND nicht zum ersten Mal klar: „Wir treten weiter entschieden für einen Entschädigungsfond der Fifa für die Familien von verstorbenen oder verletzten Arbeitern ein.“ Das ist auch eine Aufforderung an die Fifa, deren Präsident inzwischen in der katarischen Hauptstadt Doha einen Wohnsitz hat: „Darüber möchte ich in Doha erneut mit Gianni Infantino sprechen“, so Neuendorf, der auch die Forderung nach einem Zentrum für Arbeitsmigrantinnen und -migranten in Katar noch einmal hinterlegen will.
Bernd Reisig fliegt mit
Allerdings weiß der Verbandschef natürlich auch, wie überaus freundlich Bundeskanzler Scholz den Emir in Berlin empfangen hat und wie tief sich Wirtschaftsminister Habeck vorm katarischen Handelsminister Hamad bin Kasim al-Abdullah Al Thani verneigte. Klarer Ausdruck der Machtverhältnisse, wenn es ums Gas geht, Neuendorf und Ministerin Faeser werden also allerhand diplomatisches Geschick brauchen, um einerseits deutlich zu machen, dass sie von Katar mehr Beachtung für Fragen der Menschenrechte und im Arbeitsschutz erwarten, ohne dabei den Emir allzu sehr weiter zu vergrätzen.
Zur Reisegruppe der Ministerin gehört auch der Frankfurter Eventmanager Bernd Reisig, der sich mit der Initiative „Liebe kennt keine Pause – gegen Homophobie in Katar“ bereits seit vielen Monaten dafür engagiert, dass Menschen in Katar oder die als Fans zur WM anreisen, für deren Sexualität nicht kriminalisiert werden. Zuletzt hatte Human Rights Watch berichtet, in Katar seien sechs Personen aus der LGBT-Gemeinschaft festgenommen und zum Teil misshandelt worden. Katar dementierte die Vorhaltungen als „eindeutig falsch“.