Kritik an Fußball-WM in Katar: Der DFB sitzt im Glashaus

Fundamentalkritik an der Vergabe der WM nach Katar verbietet sich für einen deutschen Fußballfunktionär aus dem Glashaus heraus. Denn alles spricht dafür, dass sich die Deutschen die WM 2006 von korrupten Fifa-Leuten gekauft hat. Der Kommentar.
Sechseinhalb Jahre lang ist der Deutsche Fußball Bund mit Abwehrarbeit beschäftigt gewesen. Die Deckung war so löchrig, die Verteidiger derart überfordert, dass ein Gegentreffer auf den nächsten folgte. Seit im Herbst 2015 die Sommermärchenaffäre ruchbar wurde, ist der DFB ein Absteiger.
Bernd Neuendorf verbindet mit Gianni Infantino nur die Frisur
Jetzt, im Frühjahr 2022, schaut es so aus, als könnten erstmals wieder Aufstiegsambitionen geäußert werden. Es gibt einen neuen Bundestrainer Hansi Flick, der es bisher gut macht, einen neuen Präsidenten Bernd Neuendorf (der zwar verblüffend ähnlich frisiert ist wie Fifa-Boss Gianni Infantino, aber sonst nicht viel mit dem Schweizer gemein hat), eine neue, fleißige Generalsekretärin Heike Ullrich, völlig ohne Hang zur Selbstdarstellung, dazu vier weitere unverbrauchte Frauen im Präsidium und einen harten, aber auch herzlichen Liga-Vertreter (Aki Watzke aus Dortmund), der den Laden mit zusammenhält.
Übrigens: Mit unserem Fußball-Newsletter erhalten Sie zweimal die Woche ausgewählte Texte und Kommentare von FR-Autoren aus der Welt des Fußballs. Hier geht es zur Anmeldung.
Telefonat mit mutiger Norwegerin Lise Klaveness
Die Statik liefert die neue lichtdurchflutete Heimat an der ehemaligen Frankfurter Galopprennbahn. Der Aufbruch ist nicht nur eine Inszenierung. Neuendorf schleppt keine persönliche Rucksäcke aus der Vergangenheit ins hohe Amt. Er hat gerade erst mit der mutigen norwegischen Amtskollegin Lise Klaveness telefoniert und plant einen spürbar kritischeren Umgang mit der Fifa und dem WM-Ausrichterland Katar, als dass der DFB bislang getan hat. Der Ansatz stimmt.
Aber die Geister der Vergangenheit kann auch Quereinsteiger Neuendorf nicht mal eben vertreiben. Fundamentalkritik an der Vergabe der WM nach Katar verbietet sich für einen deutschen Fußballfunktionär aus dem Glashaus heraus. Denn alles spricht dafür, dass der DFB sich die WM 2006 von korrupten Fifa-Leuten gekauft hat. Was wirklich geschah, wissen unter den noch Lebenden nur Franz Beckenbauer und der wegen Bestechung lebenslang von allen Fußball-Ämtern gesperrte katarische Ex-Fifa-Mann Mohamed bin Hammam.
Franz Beckenbauer schweigt beharrlich
Beide schweigen beharrlich. Es ist deshalb wohlfeil, wenn manche Medien von Neuendorf nun eine große Aufklärungskampagne nicht nur in dieser Frage verlangen. Der DFB hat schon einen zweistelligen Millionenbetrag für Anwaltskanzleien und Forensiker in die Ermittlungen gesteckt, ohne dass bekanntgeworden wäre, wo 6,7 Millionen Euro von Beckenbauers Konto am Ende genau gelandet sind. Aktenordner sind nie mehr aufgetaucht und vermutlich geschreddert.
Und bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft liegen seit Wochen, Monaten, Jahren Berge von Unterlagen, die bei diversen Razzien im Zusammenhang mit mutmaßlichen multiplen Steuerdelikten des DFB (Beraterverträge, Bandenwerbung, Sommermärchen) sichergestellt wurden. Die Behörden sind jetzt am Zug, dass aus Verdächtigungen Gewissheiten werden. Und Neuendorf ist gehalten, seinen Laden so in den Griff zu kriegen, dass ein für alle Mal Schluss ist mit den unliebsamen Besuchen der Steuerfahndung. Den ersten Respekt hat er sich durch Auftreten und Ausstrahlung schon mal verschafft.