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Das Lächeln der Bayern

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Von: Jan Christian Müller

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Ein Freund des gediegenen Fußballs: Joao Cancelo. dpa
Ein Freund des gediegenen Fußballs: Joao Cancelo. dpa © dpa

Trainer Julian Nagelsmann betätigt erfolgreich einige Drehschrauben, die Bosse loben und fordern, dass es genauso weitergeht wie beim 4:0-Pokalsieg bei Mainz 05.

Was können diplomierte Fußballtrainer tun, wenn es nicht so läuft, wie sie und ihre Vorgesetzte und die Medien und die eigenen Fans sich das vorstellen? Sie können a) auf Neuverpflichtungen drängen. Sie können b) eine Teamsitzung einberufen und dabei die Spieler zu Wort kommen lassen. Sie können c) das Spielsystem ändern. Julian Nagelsmann hat sich weder auf das eine noch das andere verlassen, er hat gleich das ganze Bündel ausgepackt. Und siehe da: Der FC Bayern hielt sich nach zuvor drei 1:1-Remis in der Bundesliga im DFB-Pokal bei Mainz 05 schadlos, ein inspirierter Auftritt führte zu einem 4:0-Erfolg. Balsam auf geschundene Seelen, die entsprechend ausgelassen mit der zahlreich vertretenen Anhängerschaft feierten.

Es hatte aber auch alles gepasst: Der Portugiese Joao Cancelo, erst tags zuvor für 70 Millionen Euro von Manchester City verpflichtet und sofort in der Startelf beordert, bespielte von Beginn an die rechte Flanke eloquent, inklusive der präzise getunten Flanke zur 1:0-Führung. Der feine Techniker profitierte in seinem Offensivdrang auch von der Umstellung von Vierer- auf Dreierkette, eine Versuchsanordnung, die Nagelsmann bei seiner ersten Profitrainerstation in Hoffenheim bevorzugt hatte und die er jetzt wieder aus der Rumpelkammer holte. Und womöglich dürfte auch die Aussprache am Vortag ihren Teil zum Gelingen beigetragen haben. Der zuvor vielkritisierte Nagelsmann lächelte wissend in sich hinein: „Es ist wichtig, dass die Mannschaft sich auch kritisch sieht. Deshalb war der Redeanteil etwas anders als sonst.“

Old School Football

Die Klippe Mainz 05 hat der FC Bayern also umschifft, es gab postwendend Lob sowohl vom Präsidenten als auch vom Vorstandschef. Herbert Hainer tauchte in der Mixed Zone auf und garnierte seine Anerkennung mit einer fordernden Haltung: „Diese Begeisterung und Gier, gewinnen zu wollen, will ich in Wolfsburg wiedersehen.“ Fast wortgleich äußerte sich Oliver Kahn via Twitter.

Bei den Niedersachsen spielen die Bayern am späten Sonntagnachmittag (17.30 Uhr/Dazn), der Tabellendruck in der Bundesliga lässt angesichts der Verfolger Nachlässigkeiten derzeit nicht zu, ebenso wenig wie die Champions League gegen das Großkaliber Paris Saint-Germain am 14. Februar (auswärts) und 8. März. Das sind die wahren Nagelproben für Nagelsmann.

Um in Wolfsburg und Paris zu reüssieren, brauchen die Bayern wieder das, was Thomas Müller als „gute Mischung aus Old-School-Football und kompliziertem Spiel“ bezeichnete. Old School war die Hingabe auch in mühsamen Phasen des Ballgewinns, komplizierte High Tech war das druckvolle Kombinationsspiel, das die armen Mainzer von einer Not in die nächste stürzte. „Wir haben nach dem Sieg gelechzt“, sagte Müller mit Thomas-Müller-Grinsen, „wir sind alle froh über die Art und Weise. Man hat danach in der Kabine auch mal wieder ein Lächeln gesehen.“ Die Erleichterung war mit Händen greifbar.

Allen voran die Variabilität von Neuzugang Cancelo sorgt für Phantasie beim Rekordmeister. Bezeichnend für dessen Selbstvertrauen, dass er vor seiner Flanke zum Führungstreffer durch Eric-Maxim Choupo-Moting nicht auf seinen Trainer hörte. Nagelsmann hatte den rechten Verteidiger aus der nahen Coachingzone nämlich angewiesen, den Ball zurückzuspielen. Die fein justierten Richtmikrofone am Spielfeldrand hatten das aufgefangen. Der beidfüßige Cancelo ignorierte den Vorschlag, er wackelte den bemitleidenswerten Mainzer Linksverteidiger Aaron Martin klassisch aus und zog eine perfekte Hereingabe auf den zweiten Pfosten. „Dafür bekommt er keinen Anschiss“, kommentierte Nagelsmann mit einer Leichtigkeit, die in den vergangenen Wochen auch beim Trainer des FC Ruhmreich nicht hatte diagnostiziert werden können.

Starke Bayern-Bank

Julian Nagelsmann befindet sich zudem in der angenehmen Situation, auf eine recht üppig besetzte Bank zurückgreifen zu können: In Mainz schafften es unter anderem die Hochkaräter Leon Goretzka, Serge Gnabry, Alphonso Davies (der nach seiner Einwechslung das 4:0 besorgte) nicht in die Startelf. Zudem präsentierte sich Jamal Musiala, der blitzsauber zum 2:0 traf, in prächtiger Verfassung, Joshua Kimmich hielt Kontrolle im defensiven Mittelfeld, Leroy Sané ging weite Wege auf der Zehn und traf zum 3:0, Thomas Müller präsentierte sich rührig wie zu besten Zeiten. Aber all das wird auch nötig sein, um dann, wenn es gegen stärkere Gegner geht als die chancenlosen Mainzer, wieder ein bisschen mehr „Mia san Mia“ demonstrieren zu können. Denn eines vergaß Oliver Kahn keinesfalls zu unterschlagen: „Gegen Mainz hat die Mannschaft erstmals in diesem Jahr ihr wahres Gesicht gezeigt.“ Mit der Betonung auf „erstmals“.

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