Am Sonntag sickerten Meldungen darüber durch, und bald darauf meldete sich Hasan Salihamidzic erklärend zu Wort. „Vergangene Woche haben uns die Spieler darüber informiert, dass sie die beiden trainingsfreien Tage in der Gruppe auf Ibiza verbringen möchten. Wir haben das als teambildende Maßnahme akzeptiert“, beschwichtigte der Sportvorstand. Komisch nur, dass diese doch sehr ungewöhnliche Reise zwischen zwei Spielen erst im Nachhinein notdürftig erklärend kommuniziert wurde. „Unsere Mannschaft hatte sich noch höhere Ziele in dieser Saison gesetzt und ist seit dem Ausscheiden in der Champions League sehr mit sich und ihrem künftigen Weg beschäftigt. Das finden wir positiv“, ergänzte Salihamidzic. „So eine gemeinschaftliche Aktion der Mannschaft kann hier eine wichtige Grundlage sein.“ Er könne versprechen: „Es ist völlig klar, dass sich unsere Spieler am Sonntag gegen den VfB Stuttgart mit der sie auszeichnenden Professionalität und fußballerischen Stärke voll einsetzen werden.“
Das hatten sie in Mainz zweifellos nicht getan. Die geballte Lustlosigkeit beim noch schmeichelhaft geratenen 1:3 dokumentierte sich exemplarisch nach einer knappen Stunde Spielzeit. Da verlor der eingewechselte Leroy Sané ohne große Not den Ball. Mainz konterte zum Endstand. Auch danach gab der Nationalspieler noch einige Bälle in einer Nachlässigkeit her, die an eine Unverschämtheit grenzte für jemanden, der so hochbezahlt seinem Beruf nachgeht. Seinen Frust kanalisierte Sané dann in einen Schlag gegen den Mainzer Leandro Barreiro, für den er Gelb sah. Dann schoss der 26-Jährige den Ball noch weg, eine Aktion, für die er ein weiteres Gelb und somit einen Platzverweis verdient gehabt hätte. Stattdessen durfte er bis zum Ende über dem Platz schlurfen. Zum Schlusspfiff ging es für Sané dann in einer ungeahnten Dynamik Richtung Kabine, die ihn dort als ersten Bayern-Profi ankommen ließ. Die anderen waren so anständig, sich in der Kurve noch bei den eigenen Fans zu verabschieden.
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Sané war erst vor einer Woche von Hasan Salihamidzic auch öffentlich deutlich angezählt worden. Es sah im Studio von Sky 90 verdächtig danach aus, als sei das der verzweifelte Versuch des Sportvorstands, nach etlichen internen Gesprächen nun über die Medien Einsicht bei Sané zu verschaffen. Einsicht darüber, dass es eine Pflicht zur Gegenleistung fürs gute Geld gibt, oder zumindest eine Pflicht, es zumindest zu versuchen, eine Gegenleistung hinzukriegen. Leroy Sané hat diese Botschaft entweder nicht verstanden oder nicht verstehen wollen. Seine non-verbale Antwort in Mainz war unschwer zu interpretieren: Ihr könnt mich mal!
Es musste nach dem Spiel mit dem Duschen schneller gehen bei den Bayern als zuvor beim Laufen auf dem Feld, um den Flieger zu erreichen. Julian Nagelsmann gab seine Pressekonferenz deshalb fix im kleinen Kreis. Die Augen des Trainers blitzten. Der Trainer blieb nur kurz gnädig: Ja natürlich, eine Woche nach den Meisterfeierlichkeiten sei eine solche Nicht-Leistung wie in Mainz „ein Stück weit menschlich“, und dann kam das große Aber: „Aber trotzdem tragen wir immer noch das Logo auf der Brust.“ Wenn der FC Bayern auftrete und es den Anschein habe, „als müssten wir irgendeinen Dienst abhalten, dann ist das ein Punkt, an dem wir etwas verändern müssen. Da sind wir gerade.“
Laut Nagelsmann geht es um mehr als bloß die Mannschaft. „Es geht um das große Ganze.“ Der Prozess des Change-Managements beim Abo-Meister wird von dem 34-Jährigen in Zusammenarbeit mit Salihamidzic und Boss Oliver Kahn offenbar vehement vorangetrieben: „Wenn eine Unternehmung über Jahrzehnte sehr erfolgreich ist, dann ist irgendwann immer Zeit, etwas zu verändern. Du darfst den Moment nicht verpassen. Das kennt jedes DAX-Unternehmen, das zu den erfolgreichsten gehören möchte, auch.“
Das sind kluge Worte eines klugen Mannes, der längst erkannt hat, dass der FC Ruhmreich seinen Ruhm international nun schon im zweiten Jahr in Folge nicht gemehrt hat. Vorstellungen wie die in Mainz sind vermutlich sogar hilfreich, um den Prozess zu dynamisieren. Aber wie umgehen mit einem wie beispielsweise Sané, dem mit 60 Millionen Euro nach Lucas Hernandez (80 Millionen) teuersten Transfer der Klubgeschichte? In einer strengen Aufwands- und Ertragsrechnung sind beide Profis bislang Irrtümer, mit einem bedeutenden Unterschied: Der Franzose Hernandez strengt sich immer an beim Fußballspielen.