Darmstadt 98: Tor erster Klasse

Der SV Darmstadt 98 gewinnt mal wieder nach einer Standardsituation - damit rückt der Aufstieg näher.
Rüdiger Fritsch, der langjährige Präsident des Fußballzweitligisten SV Darmstadt 98, wollte da vor einigen Wochen im Interview mit der Frankfurter Rundschau kurz mal was klarstellen. Beim ansonsten sehr harmonischen Gespräch rutschte die Miene des Machers einmal tief ins Grummelige ab. Ihm nämlich, Fritsch, nerve es schon ein wenig, wie manch Erfolg des Spitzenreiters von der Öffentlichkeit wahrgenommen werde. „Es wird teils bemängelt, dass wir oft nur Standardtore schießen. Das wirkt manchmal so, als ob dies Treffer zweiter Klasse wären.“ Rüdiger Fritsch schüttelte bei seiner Rede mit dem Kopf, das konnte er damals und kann es wohl auch heute nicht verstehen, zumal sich im Fortlauf der Saison ja eines zeigte und den Präsidenten rückblickend bestätigt: Erstklassig sind diese Darmstädter Tore aus ruhender Position des Balles allemal. Bestes Beispiel: Der 1:0 (0:0)-Siegtreffer beim Darmstädter Gastauftritt am späten Samstagabend in Rostock.
Spannstoß mit Wumms
Nach einer in der ersten Hälfte durchwachsenen und nach dem Seitenwechsel klar verbesserten Leistung der Südhessen stand es bis in die 78. Minute hinein torlos. Zuvor waren Darmstadts Offensive Mathias Honsak am Hansa-Torwart Markus Kolke gescheitert (44.), Marvin Mehlem an der Latte (53.) und Phillip Tietz an seinen Nerven (60.). Dann aber zappelte die Kugel doch noch im Netz. Ein Freistoß, etwa 22 Meter, geschossen von Stürmer Tietz, der das lange Eck anvisierte und mit einem wuchtigen Spannstoß den Ball vorbei an Kolke donnerte. Die Führung, der Endstand.
Es war das zwölfte Standardtor dieser Runde, das, erstens, den 14. Saisonsieg, zweitens, das 20. Ungeschlagenspiel in Serie sicherte, und, drittens, den Abstand auf die Konkurrenz wahrte (Acht Punkte Vorsprung auf Rang drei, zehn auf Rang vier). Erster sind die Lilien ja nun schon eine ganze Weile, und wenig macht den Anschein, dass sie ihren Traum vom Aufstieg noch aufgeben müssten bis Saisonende. Trotz eklatanter Personalsorgen ist die Mannschaft stabil, lässt sich von schlechteren Halbzeiten wie in Rostock nicht aus der Ruhe bringen, glaubt an ihre Stärke und zieht die Spiele auf ihre Seite. Erst 16 Gegentreffer, die mit Abstand wenigsten der Liga, legen die Basis. Gefährliche Standards, Kreativität im Angriffsspiel und Nervenstärke verbunden mit einem ziemlich eiskalten Killerinstinkt kommen obendrauf.
„Wir sind super happy, dass wir Woche für Woche abliefern“, sagte Torschütze Tietz, einer dieser vielen Mentalitätsspieler in der Truppe von Trainer Torsten Lieberknecht, die nie aufgeben, sich nicht zufrieden geben mit Erreichtem, etwa einem Remis in Rostock, sondern bis zum Abpfiff stets weiter antreiben. Für Tietz persönlich war es das achte Saisontor. „Es ist noch lange hin bis zum Sommer, deshalb machen wir uns da noch keine Gedanken um den Aufstieg“, sagte der Angreifer, was freilich nicht ganz der Wahrheit entsprechen, aber zumindest auch nicht ganz falsch sein dürfte. Eine Stärke der Mannschaft liege darin, so Tietz, nicht zu weit in die Zukunft, sondern von Woche zu Woche zu schauen.
Na dann, kommenden Samstagabend wartet das Zweitligatopspiel am Böllenfalltor gegen den Hamburger SV (2:1 gegen Bielefeld) .Erster gegen Zweiter - darf man sich durchaus mal drauf freuen.